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by brigid

Februar 9, 2025

hund verweigert

es schwirren schnell gefährliche diagnosen durch den raum, wenn der hund verweigert.
sturheit kommt gleich mal,
gefolgt von „mangelnder autorität“ oder „falsche rangordnung“
bis zu „fehlendes vertrauen“ und „schlechte bindung“.

eines haben diese erklärungen gemeinsam:
sie sind allesamt falsch.

wenn der hund den rückruf mit einem kurzen innehalten und dann weglaufen quittiert, hat das nichts mit rangordnung zu tun.
wenn der hund hinter einem trödelt oder in eine bestimmte richtung nicht mitgehen mag, liegt es nicht an fehlendem vertrauen.
und schon gar nicht liegt es an der bindung (die nämlich sowieso immer gegeben ist), wenn der hund ein signal nicht ausführt.

vom verweigern ist immer dann die rede,
wenn der hund etwas nicht tun will, was wir von ihm wollen und uns das wichtig ist
bzw. wenn er stattdessen ein unerwünschtes verhalten an den tag legt.

(mehr dazu, wie man unerwünschtes verhalten ganz allgemein in den griff bekommt, gibt es nur noch heute im webinar-video „verkehrtes verhalten wirksam abstellen“)

was nicht wirkt

der normale menschliche impuls auf verweigern, ist mehr nachdruck.
„durchsetzen“ des gesagten und notfalls etwas „nachhelfen“.

genau das aber ist verkehrt, macht die sache nur schlimmer und ist noch dazu gar nicht immer machbar.
wie will man schließlich den rückruf „durchsetzen“, wenn der hund sich einfach umdreht und im wald verschwindet?

natürlich kann man sich die seele aus dem leib brüllen und wie rumpelstilzchen rumturnen,
doch die natürliche reaktion des hundes darauf ist eindeutig – und das gegenteil von dem, was wir möchten:

nämlich meideverhalten oder widerstand.
der hund kommt uns erst gar nicht in die nähe oder versucht, von uns wegzukommen (meideverhalten)
oder er wird erst recht bockig (widerstand), weil druck nur gegendruck hervorruft.

die gretchenfrage bleibt dabei sowieso offen: warum verweigert der hund?
solange wir das nicht beantwortet haben, werden wir kaum eine lösung finden.

3 fragen

wenn wir weiterkommen wollen, müssen wir uns die folgenden drei fragen stellen.
sie verraten uns nämlich, wo wir ansetzen müssen und können,
und wie wir dem hund einen erfolgversprechenden weg aus der verweigerung zeigen können.

1.  welches gehirnareal ist aktiv?

entscheidend ist im ersten schritt, ob der hund emotional/reaktiv oder kognitiv gesteuert wird.
soll heißen: ist er herr seiner sinne und kann entscheiden, wie er sich verhält
(und dann das richtige oder eben nicht tun)
oder aber ist wird er von emotionen und impulsen gesteuert, denen er sich kaum entziehen kann.

nehmen wir mal den hund, der nicht in den einen weg einbiegen will, wo der mensch hinmöchte.
macht er das, weil er angst hat vor etwas, was da ist oder was er da mal erlebt hat,
dann hindern in seine emotionen und sein fluchtimpuls daran, mit uns mitzugehen.
dem hund mit mehr druck zu begegnen oder ihn mitzuzerren, führt nur dazu, dass er die strecke als immer unangenehmer erlebt (und uns menschen gleich mit).

geht aber deswegen nicht mit, weil er festgestellt hat, dass er mit leckerchen gelockt wird,
wenn er nur lange genug stehenbleibt und sich nicht weiterrührt, sieht die sache anders aus.
dann sehen wir zwar das selbe verhalten (der hund verweigert), er macht das aber mit klarem kalkül und kühlem kopf.
mitzerren und nachdruck helfen dabei zwar auch nicht (vorsicht! auch das wäre aufmerksamkeit und daher bestätigung für ihn),
aber wir müssen ihm nicht erst die angst vor der strecke nehmen.

es müssen auch nicht immer ängste oder schlimme erfahrungen dahinterstecken.
der hund braucht nur viel zu aufgeregt sein, dann fällt es ihm schwer, ein signal des menschen umzusetzen.
wie soll er zum beispiel im gelände ein ruhiges „platz“ ausführen, wenn er hummeln im hintern hat und kaum ein sitz hinbekommt?

ob der hund gar nicht anders kann oder nicht anders will, ist also die erste sache, die wir klären müssen.

nun sagen wir, er ist kognitiv gesteuert (könnte also anders)…

2. was hat er davon?

dann stellt sich als nächstes die frage:
was hat der hund davon, dass er „verweigert“?
was bringt es ihm ein, sich dem signal des menschen zu widersetzen.

hunde folgen ja der fixen regel: ich mach das, was mir was bringt.

wenn das kommen auf den rückruf nur dazu führt, dass man an der leine hängt,
während man andererseits noch weiter die große freiheit auskosten könnte
(und herr oder frau hund durch erziehungsfehler schon mal festgestellt haben, dass das geht!),
warum dann kommen?

wenn stehenbleiben und „verweigern“ dazu führen, dass der mensch mit keksen vor der hundenase rumwedelt, wunderbar!
dann findet der hund das verweigern an der stelle ganz toll und offenbar erwünscht, weil er dafür belohnt wird.

wenn der hund was tolles gefunden (oder geklaut) hat, und das „abgeben“ nur dazu führt, dass er das verliert und leer ausgeht, wird er sich lieber für seinen tollen fund entscheiden und den notfalls rasch in sicherheit bringen (durch runterwürgen oder wegrennen), als dem signal zum abgeben gehör zu schenken.

der schlüssel zur veränderung liegt darin, ausfindig zu machen, welche faktoren – von einem selber, von anderen, aus der umgebung – den hund dafür belohnen, dass er „verweigert“.

3. was ist die alternative?

was dann noch fehlt, ist eine klare alternative, die dem hund mehr erfolg einträgt als das verweigern.

das erscheint nur auf den ersten blick offenkundig: er soll halt tun, was der mensch grad wollte, oder?

ganz so einfach ist es nicht immer.
denn erstens muss der mensch ein wirklich klares bild von dem haben, was der hund genau tun soll.
soll er was geklautes/gefundenes auf signal nur ausspucken, ausspucken und liegen lassen (achtung, das ist ein unterschied!)
oder ausspucken und zum menschen kommen oder das teil dem menschen bringen?

zweitens muss das verhalten dem hund möglich sein.
wenn er sich mit einem kaum behaarten hinterteil nicht auf spitze steine setzen mag, hilft auch das beste sitz-signal nichts.
der mensch muss sich stattdessen überlegen, wo und wie er den hund zum sitzen auffordert.

und drittens muss es dem hund mehr bringen als die verweigerung.
nicht vergessen: hunde machen das, was sich für sie (am meisten) lohnt.
wenn der rückruf sich für den hund nur anfangs beim üben gelohnt hat,
später aber nichts mehr bringt oder die verlockungen zu groß (=zu lohnen) sind, stimmt die rechnung nicht mehr.

training dient zwar nicht zuletzt dem zweck, beim hund das verhalten ohne langes überlegen
(und daher ohne lange kosten-nutzen-abwägung auszulösen), doch bis dahin muss die rechnung für den hund aufgehen.

fazit

hinter der scheinbaren verweigerung stecken immer handfeste ursachen:
entweder die überforderung des hundes mit irgendetwas
oder hausgemachte erziehungsfehler und missverständnisse.

was eine gute nachricht ist: denn beides lässt sich gut beheben, wenn man mal rausgefunden hat, was los ist.
und man muss sich gar nicht mit einem „widersetzlichen“, „sturen“ oder „aufbegehrenden“ hund herumschlagen.
die gibt es so nämlich nicht.

ps: wenn du insgesamt besser verstehen möchtest, warum dein hund etwas macht, dann gibt es dafür schon bald ein eigens fach-webinar „wieso macht er das? verhaltensanalyse für hundehalter*innen“, für das du dich gleich hier anmelden kannst.

 

 

 

 

über die autorin 

brigid

brigid weinzinger ist tiertrainerin und verhaltensberaterin für hund, katz, pferd und mensch. sie bloggt auf www.denktier.at über das leben mit tieren und tipps für deren ausbildung.