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by brigid

Mai 11, 2025

was muss der hund

das zusammenleben mit dem menschen bringt dem hund viele vorteile, es hat aber auch seinen preis.
denn was muss der hund da nicht alles an dingen tun und lassen, damit dieses zusammenleben halbwegs klappt!

von anfang an geht es darum, was der welpe oder der neue hund nun alles lernen muss.
je nach trainingsphilosophie fällt die liste mal kürzer, mal aber auch ziemlich lang aus.

ganz zu schweigen von den reglements und anforderungen an präzision, die bestimmte hundesportarten vorgeben,
bei denen der hund eine exakte position am menschen oder eine ganz bestimmte körperhaltung einnehmen muss
oder eine aufgabe nur auf bestimmte – für ihn manchmal umständlichere – weise lösen darf, stichwort „hohe nase“ bei der fährtenarbeit.

natürlich erfordert das leben in der menschenwelt manchmal, dass der hund „mit spielt“
und eben nicht nur seinen impulsen folgt, sondern diese zügelt.

genau da gibt es im alltag ja am häufigsten probleme, wenn der hund das nicht (ausreichend) schafft.
wie man heikle momente mit dem hund am besten hinkriegt, besprechen wir demnächst im neuen webinar „schwierige situationen souverän meistern“.

wir sollten uns nur manchmal vor augen halten, was wir vom hund eigentlich alles verlangen und überlegen,
– was für ihn machbar ist
– wie wir ihn am besten unterstützen könnten
– und was wirklich nötig ist und was nicht.

1. ruhe bewahren

die größte diskrepanz gibt es in aller regel beim thema gelassenheit.
diskrepanz einerseits zwischen dem, was der hund aufgrund seines grades an aufregung und seines trainingsstands überhaupt schaffen kann, wir aber von ihm erwarten.

diskrepanz andererseits aber auch zwischen dem, was wir vom hund verlangen
und dem, was wir selber aufbieten können oder wollen.

nehmen wir nur das beispiel bellen bei hundebegegnungen.
der hund regt sich auf, wenn er einen anderen hund sieht.
wir wissen, wir selber sollen ganz ruhig bleiben, um dem hund nicht das falsche signal zu geben.
doch schon im ersten reflex oder spätestens, wenn der hund bellt, ist es damit vorbei.

wie können wir dann vom hund etwas erwarten, was uns selber nicht gelingt?

2. ängste überwinden

ob es vermeintlich gefährliche fremde menschen sind
oder „nur“ die gespenstische offene treppe,
wir wissen ja, dass nichts davon eine gefahr darstellt
und glauben, wir müssen das dem hund nur sagen
und aus lauter vertrauen zu uns ist dann alles gut.

ok, das ist etwas übertrieben.
aber wie oft üben wir was angsteinflößendes – wie die treppe – ein bisschen
und sind frustriert, wenn der hund nicht nach den ersten paar mal alles schafft?

sich seiner angst zu stellen,
die sache trotzdem in angriff zu nehmen
und die angst dann zu überwinden,
das ist keine kleinigkeit!

wer mal einen unguten zwischenfall mit einem anderen hund hatte,
kennt das eigener erfahrung.
so leicht ist das nämlich nicht mal für uns rational denkende menschen,
an dem hund oder an der stelle danach wieder völlig unbeschwert vorbei zugehen.

3. fressbares verschmähen

in der hundewelt ist das ganz einfach:
wer was fressbares findet, das nicht im maul eines anderen oder direkt davor ist,
dem gehört es.

ganz anders in der menschenwelt.
was in der küche runterfällt oder was der hund beim spazierengehen am wegesrand findet,
beanspruchen wir trotzdem für uns und erwarten vom hund idealerweise,
dass er es nicht mal eines blickes würdigt.

besonders für hunde aus einer streunerpopulation,
die generationenlang nur dank ihres geschicks fressbares zu finden überlebt haben,
ist das völlig widersinnig.

von selber machen das daher die wenigsten hunde,
dass sie fressbares schlicht verschmähen – egal, ob wir menschen das für fressbar und geeignet halten oder nicht.
die erwartete zurückhaltung muss daher erst eingeübt werden und zwar so,
dass sie sich für den hund lohnt.

oder sagen wir mal so: wer jemals hungrig und auf diät stundenlang an einem reich gedeckten buffett verbracht hat,
weiß, dass das ohne hoffnung auf einen belohnungseffekt nicht geht  (wenn überhaupt).

4. artgenossen ignorieren

genau genommen erwarten wir vom hund in puncto artgenossen,
dass er sie cool findet, aber nicht zu cool – also nicht dauernd hin will.
dass er mit allen gut auskommt und nett spielt, aber nur solange es uns gerade passt.
dass er schwierigen hunden freiwillig ausweicht,
dass er sich im freilauf mit allen (trotz negativer erfahrungen) arrangiert
und dass er immer gelassen bleibt bleibt und selbst auf dem schmalen gehsteig an ihnen vorbeigeht
als wäre nichts.

schon ein bisschen viel, oder?

natürlich gibt es gechillte hunde mit souveränem sozialverhalten und viel erfahrung.
doch selbst die brauchen gelegentlich etwas unterstützung oder abstand.

erst recht gilt das für junge, aufgeregte, unsichere oder unerfahrene hunde.
man kann nicht einfach von ihnen erwarten, dass sie sich einfach so bilderbuchmäßig verhalten.
das braucht schon etwas übung, erfahrung und gelassenheit (die auch nicht von selber kommt).

einem selber fällt es ja auch nicht so leicht, selbst dem rücksichtslosesen anderen hundemenschen
jederzeit mit gleichmut und höflichkeit zu begegnen, oder?

5. allzeit bereit sein

hunde leben im prinzip ein sehr fremdgesteuertes leben.
den einen moment liegen sie dösend in ihrem körbchen,
im nächsten geht’s los und der hund weiß oft nicht genau, wohin eigentlich.

er soll aber freudig mit dabei sein.
ob es nun ein netter spaziergang ist (da ist er sicher dafür),
ob es anstrengendes training im hundekurs ist (je nach tagesverfassung)
oder ob es auf den fußballplatz oder zum markt geht (eher nicht so toll).

wo immer wir mit ihnen sind, sollen sie überdies jederzeit ansprechbar und aufmerksam sein.
sie sollen jedes signal sofort und verlässlich ausführen,
egal ob sie grad mit was anderem beschäftigt waren oder selber etwas ganz anderes machen möchten.

allzeit bereit eben. um unsere wünsche zu erfüllen.

nun wird niemand sagen, der hund soll nicht ansprechbar sein –
wir bringen ihm ja gezielt ein aufmerksamkeitssignal dafür bei –
oder er soll unsere signale nicht verlässlich ausführen.

wir sollten uns aber überlegen, was wir da eigentlich alles erwarten,
und hinterfragen, was der hund denn tatsächlich grade schaffen kann
und ob wirklich jedes signal und jede anforderung sein muss.

vielleicht kriegt der hund ja auch gelegentlich eine zeit „bereitschafts-frei“.
das wäre dann so wie dienst-handy mal abschalten und durchatmen, weil man nun endlich ein paar stunden ungestört für sich hat.

fazit

vieles muss der hund tatsächlich lernen und hinkriegen,
damit das leben in der menschenwelt klappt, keine frage.

je mehr schwierigkeiten er mit was hat, umso mehr ist das nötig.
(tipps, wie man schwierigkeiten einfach meistern kann, dann im webinar).

wir sollten aber fair bleiben und uns immer wieder überlegen,
was das für den hund denn bedeutet,
was er gerade schaffen kann (und wo er unterstützung braucht)
und wo er vielleicht auch nicht so „funktionieren“ muss.

über die autorin 

brigid

brigid weinzinger ist tiertrainerin und verhaltensberaterin für hund, katz, pferd und mensch. sie bloggt auf www.denktier.at über das leben mit tieren und tipps für deren ausbildung.