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by brigid

April 24, 2016

er gehört zu den standardübungen der hundeerziehung. aber ist er auch sinnvoll? nur, weil er häufig empfohlen wird und irgendwie ganz logisch klingt, muss das ja noch nicht automatisch vernünftig sein.

die rede ist vom richtungswechsel: dem plötzlichen, nicht angekündigten und unerwarteten richtungswechsel.
auf gut deutsch: du schlägst plötzlich einen haken und wartest drauf, ob dein hund das mitkriegt.

das ziel ist durchaus vernünftig: der hund soll lernen, auf dich aufzupassen und immer einen teil seiner aufmerksamkeit bei dir zu haben.

und wer möchte das nicht?

ist doch praktisch, wenn einen der hund immer im auge behält. von sich aus! ohne dauerndes rufen oder so.

das dilemma ist ja meistens, dass der hund genau das nicht tut.
verständlicherweise.
denn schließlich gibt es tausend andere dinge, die im moment grad spannender sind als du.
du bist ja schließlich eh immer da.

und da kommt der plötzliche richtungswechsel ins spiel.

plötzlich bist du futsch

der sorgt dafür, dass du eben ganz plötzlich nicht mehr da bis. zumindest nicht da, wo der hund dich eben noch vermutet hatte. drum passt er im lauf der zeit immer genauer auf, wo du läufst, damit du nicht wieder plötzlich verschwunden bist.

eine steigerungsform davon ist dann die, wo du dich zusätzlich auch noch hinterm baum versteckst und wirklich „verschwunden“ bist, also aus dem blickfeld des hundes weg. das soll ihm nämlich eine lehre sein! damit er in deiner nähe bleibt und aufmerksam deine bewegungen verfolgt. sonst steht er nämlich alleine in der landschaft!

dadurch wird der hund aufmerksamer.

stimmt. meistens jedenfalls.

es gibt ja immer noch die hunde, denen es herzlich egal ist, weil sie
a) eigenständig genug und froh über die zusätzliche freiheit sind und/oder
b) ohnehin wissen, dass du im nächsten moment gleich wieder angelaufen kommst, weil DU der/diejenige bist, die es kaum aushält, nicht an der seite des hundes zu sein.

es gibt aber die vielen anderen hunde, die tatsächlich aufmerksamer werden, statt größere kreise zu ziehen.

aber warum? aus welcher motivation heraus?

macht es so mehr spaß? lohnt es sich mehr?

mitnichten!

so lustig das spiel dem menschen vorkommen mag, so wenig lustig finden es viele hunde.

wirkung zeigt der plötzliche richtungswechsel nämlich bei jenen hunden,
– die es verunsichert, wenn du zu weit weg bist oder gar aus dem blickfeld verschwindest.
– die es mit der angst zu tun kriegen, wenn sie dich nicht mehr sehen oder
– die sich zumindest sorgen machen, dich zu verlieren, und dich deshalb im auge behalten.

was dein hund beim richtungswechsel lernt

wenn dein hund dich die ganze zeit im auge behalten muss, damit du nicht heimlich verschwindest, dann lernt er dabei etwas wichtiges:

dir ist nicht zu trauen.
du bist nicht verlässlich für ihn da.
du lässt ihn womöglich im stich.

und dabei wolltest du doch bloss ein bisschen aufmerksamkeit von ihm!

wär es nicht viel feiner, ihm die aufmerksamkeit aus freude und mit einer positiven motivation beizubringen?
klar geht das!

ganz einfach sogar. dazu gibt’s verschiedene möglichkeiten, ein aufmerksamkeitssignal aufbauen zum beispiel,  oder eine meiner lieblingsübungen: den „blickfang“, mit dem du einen stummen dialog und ein feines miteinander während eures spaziergangs aufrecht erhalten kannst.

das läuft ganz ähnlich wie du es mit einem menschen auch machst, mit dem du unterwegs bist:
ihr seid im kontakt, unterhaltet euch oder bleibt nonverbal in verbindung.  eben miteinander unterwegs.
du würdest einem freund oder einer freundin ja auch nicht plötzlich davonrennen, oder?

ich stell mir das ziemlich frustrierend und unangenehm vor. wenn ich mit jemandem spazieren gehen würde, der immer wieder plötzlich futsch ist oder kommentarlos einen haken schlägt, während ich noch in die schöne landschaft versunken bin… ich fänd es zumindest anstrengend.

und ehrlich gesagt: ich hielte den menschen für einen rechten rüpel!
das würdest du mir doch sicher nicht antun, oder?
warum dann deinem hund?

und wenn du das jetzt zu „menschlich“ findest, dann überzeugt dich vielleicht etwas anderes:
wenn es heikel wird, wenn es wirklich drauf ankommt, dass dein hund aufmerksam bleiben und sich an dir orientieren kann, dann klappt positive motivation immer besser als etwas, was auf unsicherheit oder gar angst aufgebaut wurde!    weil dein hund dir im notfall nur dann voll vertrauen wird, wenn er es auch im alltag kann.

(falls du dich übrigens dafür interessierst, wie du aufmerksamkeit und dir orientierung an dir in allen lebenslagen noch weiter ausbauen kannst, dann schau dir doch mal den neuen online-kurs „voll dabei“ an)

 

 

 

 

über die autorin 

brigid

brigid weinzinger ist tiertrainerin und verhaltensberaterin für hund, katz, pferd und mensch. sie bloggt auf www.denktier.at über das leben mit tieren und tipps für deren ausbildung.