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by brigid

Juli 6, 2025

meideverhalten beim hund

beim thema meideverhalten beim hund denken wir meist an die großen brocken:
an den hund, der nicht rausgehen mag und sich in der letzten ecke der wohnung verkriecht.
an den, der vor der kellertreppe vor lauter angst einfriert und keine pfote auf eine stufe setzen kann.
an den, der um jeden anderen hund oder jeden menschen einen riesenbogen machen möchte und lauthals losbellt, wenn das nicht geht.

meideverhalten gibt es aber in allen ausprägungen: von ganz heftig bis ganz leicht.
dazu zählt auch der hund, der den kopf wegdreht, wenn man ihm den maulkorb anlegt.
derjenige, der „unaufmerksam“ zwei schritte ausweicht, wenn man ihm das signal für eine übung gibt
oder derjenige, der im anblick des nahenden fahrrads hinter seinem menschen schutz sucht.

vorausgesetzt natürlich, er hat das gefühl bei seinem menschen schutz und rückhalt zu finden.
dazu braucht er einerseits eine solide vertrauensbasis mit seinem menschen.
mehr zu dem thema schauen wir uns in wenigen tagen schon beim neuen webinar „thema bindung: was dein hund von dir braucht“ an, für das du dir gleich hier deinen platz reservieren kannst (kostenlos):

andererseits muss der mensch das meideverhalten bemerken und richtig einordnen.
da gilt nämlich: der hund hat jedenfalls recht.
sprüche oder gedanken a la „ist doch nichts“ oder „stell dich nicht so an“ sind jedenfalls verkehrt.

meideverhalten verstehen

der hund hat immer einen guten grund für sein meideverhalten:
– er hat schon schlechte erfahrungen gemacht und erwartet daher nichts gutes
– er hat noch gar keine erfahrungen gemacht und ist bei neuem skeptisch
– er hat angst und fühlt sich bedroht.

nichts davon lässt sich wegdiskutieren.
der hund nimmt es nun mal so wahr.

meideverhalten hat ja einen sinn:
es ist eine bremsfunktion des organismus, mit der man gefahren oder unangenehmen erlebnissen aus dem weg geht.
mal ganz abgesehen davon, dass auch ein hund das recht hat,
manche dinge angenehm zu finden und daher anzustreben
und andere dinge weniger zu mögen und daher zu vermeiden.

dir frage ist immer:
ist das meideverhalten für den hund auch längerfristig eine hilfe oder eher eine belastung?
muss man daher etwas dagegen unternehmen oder nicht?

wenn der hund einem fahrrad nur kurz ausweicht und man sowieso kaum welchen begegnet,
dann besteht keine notwendigkeit, das groß zu üben.
ganz anders ist es, wenn der hund sich beim anblick des brustgeschirrs in der hand seine menschen verkriecht,
weil er entweder das geschirr, seinen menschen oder das rausgehen mit etwas unangenehmen verbindet.

meideverhalten überwinden

bei allen dingen, die der hund regelmäßig erlebt oder im alltag braucht,
sollte er sich natürlich wohl fühlen damit und sie nicht meiden.
hier heißt es nun, den hund behutsam daran zu gewöhnen,
ihn positive erfahrungen machen zu lassen, um so allmählich das meideverhalten ablegen zu können.

das geht man dann gern mit locken und leckerchen an,
was nicht von vorneherein falsch ist, im gegenteil. oft funktioniert das prächtig.

doch drei dinge sind beim üben gegen das meideverhalten wichtig:

1.  kein „sanfter zwang“

es bringt gar nichts, den hund zu etwas zu zwingen, was ihm unangenehm ist, auch nicht „ganz sanft“.
das macht die sache nur schlimmer – wie man am beispiel der flucht vor dem brustgeschirr ablesen kann.
die fängt üblicherweise mit kurzem ausweichen an und weitet sich bis zum verkriechen im letzten winkel aus.

es kann ganz vereinzelt notwendig sein, einen hund mal überhaupt in eine situation zu bringen,
die er sonst konsequent meiden würde, damit er sieht: ist gar nicht so schlimm.
zum beispiel einen extremen angsthund bei widrigem wetter ins haus zu holen
(und dort unbedingt in ruhe zu lassen und ihm viel raum zu geben!),
doch das birgt enormes risiko in sich und gehört daher in die hände von fachleuten.

wesentlich besser ist es, dem hund zeit zu geben und mit positiven anreizen zu arbeiten
(siehe die nächsten beiden punkte).

2. kein innerer konflikt

dem hund einen positiven anreiz geben, geht am einfachsten mit futterhappen,
die er sich in der nähe des gemiedenen objektes oder menschen holen kann.

man gibt dem hund also einen guten grund – nämlich das futter –
sich aus eigenen stücken (!) an etwas anzunähern, das er sonst meiden würde.
dabei kann er dann einerseits feststellen, dass die bislang gemiedene sache nichts negatives (mehr) hat
und andererseits eine positive verknüpfung herstellen: gemiedenes xy bedeutet gutes.

das klappt allerdings nur, wenn der hund tatsächlich selber entscheiden darf,
ob er sich näher oder nicht.
aufforderungen oder locken oder futter entgegenhalten wären unpassend.
wenn der hund nicht näher kommt, dann liegen die futterhappen zu nahe am gemiedenen objekt
und er fühlt sich nicht sicher genug. man muss es ihm also leichter machen.

wenn der hund sich zum beispiel trotz futter in der hand dem brustgeschirr nicht nähert,
heißt es: brustgeschirr auf den boden legen, weggehen davon, kekse im großen kreis ums brustgeschirr verteilen.

was wir keinesfalls erreichen wollen:
stress durch einen inneren konflikt beim hund.
wenn ein hund sehr futtermotiviert ist und deswegen über seine eigene (meide)grenzen gehen würde,
ist daher vorsicht geboten.
wir wollen ja eine positive erfahrung aufbauen, nicht das gefühl von innerem konflikt und anspannung.

aus dem selben grund verbietet sich jedes arbeiten über gehorsamsübungen.
der hund mag ja ein verlässliches bleib ausführen, selbst wenn der gefürchtete radfahrer vorbeizischt
oder das gemiedene brustgeschirr neben ihn gelegt wird,
es ist aber keine freiwillige annäherung mit positivem ergebnis,
sondern nur wieder unangenehm und damit weiterer stoff fürs meiden.

3. prinzip „kommen lassen“

ganz allgemein fährt man am besten mit dem prinzip, den hund „kommen zu lassen“.
gemeint ist damit, dass der hund aus eigenen stücken und freiwillig seine scheu vor etwas ablegt,
sich von sich aus nähert und das mit einer positiven erfahrung einhergeht.

nehmen wir den hund, der sich mit männern unwohl fühlt.
zieht der neue partner ein oder kommt der bruder zu besuch,
darf er sich nur ja nicht aktiv um den hund bemühen.

ihn zu sich herlocken, ihm leckerli hinhalten, ihn ansprechen….
das macht alles nur schlimmer.
je mehr man ihn ignoriert und in ruhe lässt,
desto eher hat der hund die chance, von sich aus näher zu kommen.

natürlich ist fingerspitzengefühl dabei gefragt,
denn man muss die jeweilige situation so managen, dass der hund nicht einfach im meiden verharrt.
gleichzeitig muss man dafür sorgen, dass er jedenfalls eine positive erfahrung macht,
wenn er sein meiden ein stückchen weit überwindet.

ohne druck und große erwartungen klappt das erfahrungsgemäß am besten.

fazit

wenn man einem hund helfen möchte, sein meideverhalten zu überwinden,
dann braucht das geduld und feingefühl.
je mehr man dem hund die chance gibt, dabei selbständig zu agieren, desto besser.
ganz nebenbei stärkt das auch das zutrauen des hundes in seine eigenen fähigkeiten.

 

 

über die autorin 

brigid

brigid weinzinger ist tiertrainerin und verhaltensberaterin für hund, katz, pferd und mensch. sie bloggt auf www.denktier.at über das leben mit tieren und tipps für deren ausbildung.