BLOG


by brigid

Februar 25, 2024

konditionierte entspannung

wenn der hund manchmal mit konditionierter aufregung reagiert
(das phänomen haben wir letztens hier besprochen),
wäre es dann nicht auch möglich, mit konditionierter entspannung dagegen vorzugehen?

hmmm.
ganz so einfach ist das nicht.

konditionierte entspannung

unter konditionierter entspannung versteht man üblicherweise ein signal,
das man dem hund in einer entspannten situation beigebracht hat
und das dann in einer anderen situation entspannung abrufen soll.

der hund soll also ein wort wie „easy“ mit seinem entspannten zustand verknüpfen.
kommt man in eine aufregende situation, gibt man das signal „easy“,
worauf hin der hund sich gleich wieder entspannen soll.

soweit die theorie.

ob das in der praxis eine chance auf erfolg hat, hängt von drei faktoren ab – einen korrekten aufbau des entspannungssignal mal vorausgesetzt (der übrigens gar nicht so einfach ist).

1. dem erregungspegel

ein entspannungssignal hat nur dann eine chance,
wenn der hundekörper nicht sowieso schon mit stresshormonen vollgepumpt ist,
weil ein chronischer stresspegel vorliegt.

dann nämlich kann der hund gar nicht großartig entspannen,
nicht mit und nicht ohne entspannungssignal.
mit zusätzlicher aufregung kommt er schlicht nicht zurecht.

wie man dem thema aufregung insgesamt herr/in wird, dazu dann demnächst mehr im neuen webinar „aufgeregt, hibbelig, überdreht? wie man wieder ruhe reinbringt“)

2. dem menschen

viel wichtiger als irgendwelche wörter für entspannung ist die reaktion des menschen.

stimmung überträgt sich vom einen auf den anderen, aufregung ebenso.
und zwar in beide richtungen.

presst der mensch beim auftauchen einer aufregenden situation ein angespanntes „easy“ hervor,
reagiert der hund auf die anspannung des menschen und regt sich auf,
egal was das wort aussagt.

bleibt der mensch hingegen ruhig und relaxed,
überträgt sich die entspannung des menschen auf den hund,
dazu ist dann gar kein großartiges entspannungssignal mehr nötig.

3. der konditionierung

es macht einen riesenunterschied,
ob der hund seine erste erfahrung mit einer potentiell aufregenden situation macht
und dann per entspannungssignal im coolen bereich gehalten werden soll,
oder ob schon konditionierte aufregung vorliegt.

hat der hund schon mal abgespeichert,
dass der andere hund oder die türklingel oder der passant am gartenzaun gleichbedeutend mit großer aufregung ist,
kommt ein noch so gutes entspannungssignal dagegen nicht mehr an.

lerntheoretisch gesehen haben wir es dann mit einer klassischen konditionierung zu tun,
die nun gegen-konditioniert werden soll: also entspannung statt aufregung.

das muss dann aber ebenfalls eine klassische konditionierung sein –
also ebenfalls auf der emotionalen, unwillkürlichen reaktion aufbauen,
nicht auf einem gelernten signal.

gegen-konditionierung

will man eine bestehende konditionierung (in unserem fall aufregung)
mit einer anderen konditionierung (in unserem fall entspannung) bekämpfen,
müssen dazu mehrere voraussetzungen erfüllt sein.

erstens darf das alte muster nicht laufend zum selben ergebnis führen.
nehmen wir den pawlowschen hund, der schon aufs glockensignal alleine (in erwartung von futter) zu sabbern anfing.
diese konditionierung lässt sich auflösen, wenn der hund nun dutzende oder hunderte male das glockensignal hört,
es kommt aber kein futter mehr.
nie mehr!
irgendwann verliert das glockensignal dann die bedeutung von futter und wird neutralisiert.

im alltag mit dem hund müssten wir also dafür sorgen,
dass der auslöser der konditionierten aufregung nie wieder zu aufregung führt.

lässt sich mit der türklingel theoretisch machen:
man lässt es hunderte male klingeln, aber niemals kommt danach jemand zur tür herein.
aber irgendwann will man doch besuch empfangen oder ein paketbote klingelt an.
dann ist die aufregung doch wieder da.
schwierig also.

zweitens stellt sich die frage, welche konditionierung sich durchsetzt.
welche emotion ist stärker und sticht damit die andere konditionierung aus?

was ist stärker?

nehmen wir einen hund, der sich vor dem bürsten fürchtet.
schon der anblick der bürste löst automatisch angst aus.

also verknüpfen wir die bürste nun mit was tollem, nehmen wir leberpastete.
der hund soll sich beim anblick der bürste freuen,
weil er weiß, dass er nun leberpastete bekommt.

ob das klappt, hängt davon ab,
– wie groß die angst vor der bürste ist
– wie sehr er leberpastete mag.

es liegt nämlich am hund, was er verknüpft.
wenn es gut geht, steht nun die bürste für was schmackhaftes.
wenn es schlecht läuft, fürchtet sich der hund dann vor leberpastete.

im alltag haben wir es in aller regel mit negativen konditionierungen zu tun, die wir umprogrammieren möchten.
also übermäßiger aufregung, großem frust oder  angst.
gegen die anzutreten ist schwer, weil entspannung, futter oder spiel meist weniger stark wirken.

mit einer simplen gegen-konditionierung kommt man daher meist nicht durch.

auslöser umprogrammieren

es klappt nur dann, wenn man beide varianten komibiniert und noch einen lerneffekt drunter mischt.

das heißt:
der auslöser darf nicht dauernd zum selben ergebnis führen.
der auslöser selber (nicht ein separates entspannungssignal) muss eine andere bedeutung bekommen.
der hund soll außerdem lernen, dass sein eigenes verhalten entscheidend ist.

man muss also einen weg finden, wie aufregende auslöser nicht mehr zu (so großer) aufregung führen.
in der regel braucht es dazu entweder mehr abstand (um beispiel bei hundebegegnungen),
oder eine niedrigere intensität (etwa weniger lautstärke bei geräuschen oder langsameres tempo bei bewegungsreizen).

dann erst kann man den nun verkraftbaren auslöser mit etwas positivem verknüpfen.
supertolle leckerchen beim allerersten anblick des anderen hundes in großer entfernung
gekoppelt mit einer entspannten reaktion des menschen funktionieren jedenfalls besser
als ein „easy, easy“, wenn der andere hund schon 5 meter vor einem ist.

schließlich soll der hund noch verstehen, dass sein eigenes verhalten ausschlaggebend ist.
dass also aufgeregtes verhalten nicht dazu führt, dass er erreicht, was er möchte (aufmerksamkeit, rascher vorwärts kommen, kontakt…),
sondern dass er mit gelassenem verhalten besser ans ziel kommt.

letzteres ist eine frage, die im moment alleine schwer zu klären ist.
wenn der hund in vielen lebenslagen mit aufregung und aufdrehen reagiert,
ist das ein verhalten, in das er im zweifelsfall immer zurückfällt – daher auch im moment der großen aufregung.

hunde bilden ja verhaltensstrategien. wie man dem hund gelassenheit als strategie beibringt, dazu dann mehr nächste woche im blog…

 

über die autorin 

brigid

brigid weinzinger ist tiertrainerin und verhaltensberaterin für hund, katz, pferd und mensch. sie bloggt auf www.denktier.at über das leben mit tieren und tipps für deren ausbildung.