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by brigid

April 2, 2023

auflösen eines signals

das wort „frei“ wird gern verwendet zum auflösen eines signals beim hundeerziehen.

das ist an sich wichtig und richtig.
der hund soll ja wissen, wann eine übung fertig ist und er wieder sein ding machen kann.

bei manchen übungen ergibt sich das von selber, die machen da kein problem.
keinem hund muss man nach dem überwinden eines sprungs
oder nach dem auffinden einer versteckten person im mantrailing erklären,
dass die aufgabe nun abgehakt ist und er wieder was anderes tun darf.

ganz anders sieht das bei übungen aus, die auf dauer angelegt sind:
wenn der hund in einer sitz-position verharren soll
oder wenn er ein stück weit bei fuß mitlaufen soll.

da will man ja weder das signal alle paar sekunden wiederholen müssen,
noch einen hund haben, der selber beschließt, dass er nun fertig ist und tschüss.

so weit, so richtig.
was soll daran verkehrt sein?
(abgesehen davon, dass das signal vielleicht inkonsequent verwendet wird).

„lauf!“

schauen wir uns doch mal die wirkung auf den hund an.
besonders deutlich wird die bei der alternative zu „frei“, die man auch oft hört.
beim signal „lauf“.

genau genommen müsste man die signale ja als „FREI!!!!!!“ oder „LAUF!!!!!“ schreiben.
denn so werden sie regelmäßig gegeben.

mit lauter stimme, freudig auffordernd oder begeistert rufend.

und das oft sogar unabhängig davon,
ob „nur“ eine übung im training aufgelöst wird
der der hund von der leine gelassen wird und nun laufen darf.

auflösen eines signals

die energie des menschen ist die selbe:
ordentlich pepp.

die wirkung auf den hund ist ebenfalls gleich.

„gib gas!“

der hund schießt davon.
er fährt hoch und rennt los oder hüpft herum.

das kann einerseits natürlich daran liegen,
dass sich beim üben vorher schon dampf im hund angestaut hat,
der mühsam über die signale im schach gehalten wurde und sich nun bahn bricht.

andererseits kommt das aber vom menschen und seinem „frei/lauf!“
die meisten hunde sind sowieso etwas aufgeregter als ihnen gut tut.
kommt dann noch ein aufgeregtes und animierendes lautes signal vom menschen dazu,
schießt die aufregung hoch und der hund reagiert heftig.

ein animierendes „frei!“ wirkt wie aufs gaspedal treten.
bei den meisten hunden jedenfalls (einige wenige haben gar kein gaspedal, da ist es egal).

wollten wir das in dem moment?
wollten wir dem hund nicht einfach sagen:
fertig, du kannst wieder machen, was du magst.

vielleicht möchte der hund ja viel lieber in ruhe rumschnüffeln.
oder sich in einem normalen tempo bewegen statt zu rennen.
oder mal stehen und in die landschaft schauen.

was gechillte hunde halt so tun.
(wie das mit dem rennen so ist, hab ich kürzlich hier schon behandelt)

in den meisten fällen erweist sich das zusätzliche hochfahren eher als kontraproduktiv.
warum also tun wir es?

die macht der wörter

nun, ganz banal: weil man das „immer schon“ so macht.
in den hundeschulen gibt es seit jahrzehnten etablierte signale (dort heißen sie oft noch kommandos),
die wir einfach weiterverwenden ohne lange nachzudenken.

welche wörter wir als signale verwenden, hat aber eine wirkung:
nämlich zuerst mal bei uns selber.

das wort „fertig“ fühlt sich ganz anders an als „frei“ und wird auch anders intoniert.
nämlich mit der stimme nach unten am wortende von „fertig“ (was tatsächlich ein ende, ein ruhiger werden signalisiert)
und ein stimme nach oben bei „frei“ (was nach auftakt und aufforderung klingt).

entsprechend unserer intonation kommt das signal beim hund dann an.

dazu kommt noch eines:  unsere vorstellungen.
wenn wir das gefühl haben, dem hund gehorsam abzuverlangen, ihn einzuschränken und zu behindern,
dann sind wir halt selber froh, wenn das endlich vorbei ist
und freuen uns, dass wir den hund wieder „frei“ geben können und er spaß haben darf
(spaß setzen wir ja immer noch gleich mit rennen).

dem entspricht dann die stimmung, die wir dem signal-wort mitgeben.
endlich vorbei! endlich wieder spaß! endlich rennen!

anders gedacht

was aber wäre, wenn wir die hundeerziehung so aufbauen,
dass der hund bei allen übungen spaß hat?
dass er es vielleicht sogar schade findet, wenn die übung aufhört (statt erleichert wegzurennen)
oder dass er nach dem auflösen des einen signals gern in unserer nähe bleibt
und auf ein weiteres signal wartet?

dann reicht ein leises „ok“ oder „fertig“ völlig zum auflösen des signals.
und dann ist das auch nichts anderes als das auflösen eines signals, bevor es mit was anderem weiter geht.

ps:
das was wir als „aufgestaute“ energie im hund erleben, die wir mit dem „frei“ wieder loslassen, ist in aller regel einfach der chronisch erhöhte erregungspegel des hundes. der braucht dann andere maßnahmen, wie zum beispiel die übungen im kurs „cooler hund“

 

über die autorin 

brigid

brigid weinzinger ist tiertrainerin und verhaltensberaterin für hund, katz, pferd und mensch. sie bloggt auf www.denktier.at über das leben mit tieren und tipps für deren ausbildung.