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by brigid

März 5, 2023

rennen zum energieabbau

wenn der hund mal so richtig gas gibt, heißt’s gern: der braucht das, der muss rennen zum energie abbauen.
oft freut man sich sogar, wenn der hund mal so richtig los fetzt,
weil wir das mit spaß und lebensfreude verbinden
und ohnehin immer die sorge im hinterkopf haben, dass der hund nicht genug bewegung bekommt.

beobachtet man freilebende hunde, sieht man allerdings kein gerenne.
obwohl sie nach herzenslust laufen könnten, wann und wie sie wollen.

das sollte uns zu denken geben…

das schnelle rennen kommt im natürlichen verhaltensrepetoire in genau drei situationen vor:
– auf der flucht, wenn der hund schnell vor einer gefahr davon läuft.
– auf der jagd, wenn der hund ein beutetier hetzt
– beim spiel von junghunden und da nur ganz kurz

rennen ist immer aufregung

physiologisch gesehen steht hohes tempo in engem zusammenhang mit hoher aufregung.
der körper braucht einen durch das stresshormon adrenalin ausgelösten energieschub,
um die muskelkraft und die sauerstoffversorgung fürs rennen zu gewährleisten.

rennen zum energieabbau

was klar ist.
keiner kann tiefenentspannt und ganz gechillt laufen.

umgekehrt funktioniert das aber auch:
ein hoher pegel an stresshormonen führt zu innerer unruhe im hund
und zu jener „aufgestauten energie“, die sich dann durch schnelles rennen scheinbar entlädt.
wäre dem so, wär’s ja gar nicht so schlecht.

aber! großes aber
die „energie“ – also der hohe erregungspegel – entlädt sich durchs laufen nicht.
es wird nur der davon aufgelöste bewegungsdrang mal kurz abgebaut.

der erregungspegel selber steigt dadurch womöglich sogar,
denn – siehe oben – fürs rennen braucht der hundeorganismus einen extra-kick an stresshormonen.

die auswirkungen kann man oft direkt beobachten:
nach dem rennen ist der hund in der regel nicht aufmerksamer und konzentrierter und gelassener in seinen reaktionen,
sondern braucht erst eine weile, um wieder „runter zu kommen“.

es ist also ein teufelskreislauf:
wir lassen den hund rennen, damit er „energie“ (das wort kann man getrost durch „stress“ ersetzen) abbaut,
er produziert dadurch aber einen noch höheren aufregungspegel.

und noch mehr aufregung ist so ziemlich das letzte, was viele hunde heutzutage verkraften können.

(wie man mit der sowieso vorhandenen aufregung am besten umgeht, dazu dann mehr tipps demnächst im webinar „aufregung besser bewältigen“, für das du dir gleich hier deinen platz reservieren kannst:

gar kein rennen?

das soll nun nicht heißen, dass man den hund bloß nicht rennen lassen soll.

wenn ein sonst entspannter hund im spiel mal ein paar runden rennt,
wenn ein junghund seine verrückten fünf minuten hat und durch die wohnung fegt,
wenn ein läufertyp (wie zum beispiel ein windhund) mal einen schönen langen sprint hinlegt,
soll das absolut sein und ist völlig unbedenklich.

es muss einem nur klar sein, dass der hund beim rennen „heiß läuft“
(was gerade die windhundehalter zum beispiel genau wissen)
und man danach erst wieder ruhe reinbringen muss.

hat man aber einen hund, der ohnehin zu aufgeregten reaktionen neigt,
der schnell mal an der leine ausflippt oder menschen anspringt und insgesamt die ruhe noch nicht erfunden hat,
dann sollte man das rennen eher einschränken und sehr kurz halten.

was jedenfalls bei keinem hund nötig ist: ihn zum rennen zu motivieren.
weder durch anfeuern noch durch werfen von bällen oder ähnlichem.

es bringt ja nichts, noch zusätzlich und unnötig die erregungsschraube hochzudrehen
und allein durchs schnelle rennen noch mehr stress auszulösen, als er im leben sonst schon hat.

weniger ist mehr

wie so oft im hundeleben gilt auch beim tempo: weniger ist mehr.
ein ruhiges, gemütliches laufen im langsamen trab
oder ein gemächliches dahinspazieren mit viel schnüffeln
sind die hundegemäßen bewegungsarten.

die dienen dann tatsächlich dem abbau von „energie“
und liefern dem hund die form von bewegung, die er wirklich braucht.

über die autorin 

brigid

brigid weinzinger ist tiertrainerin und verhaltensberaterin für hund, katz, pferd und mensch. sie bloggt auf www.denktier.at über das leben mit tieren und tipps für deren ausbildung.