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by brigid

August 27, 2017

mentaltraining gegens leineziehen, wie soll das denn gehen???

keine sorge: es geht nicht um suggestionen für den hund oder autogenes training mit der leine.

und vorab gleich eines, um nur ja kein missverständnis aufkommen zu lassen:

wer möchte, dass sein hund an lockerer leine mit ihm unterwegs ist, braucht zu allererst mal vernünftiges leinentraining.

allerdings gibt es einen faktor im leinentraining, der wichtiger ist als man denken sollte.

genau: das bist du. der mensch.

und da geht es nicht bloss darum, dass du das leinentraining natürlich selber auch erst mal lernen musst.
das musst du nämlich.

und es geht auch nicht nur um die vielbeschworene „konsequenz“.
ja, die brauchst du :-).

es geht um mehr:

um deine vorstellung.
um deine erwartungshaltung.
um deine überzeugung.

die entscheiden nämlich massgeblich, ob und wie rasch es mit dem leinegehen klappt.

dazu eine kleine anekdote:

es kam mal eine frau mit ihrem hund zum leinentraining.
die frau war groß und kräftig, sicher in der 80kg klasse.
der hund war ein chihuahua, ca. 2 kg schwer.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

und er zog an der leine. so weit nicht ungewöhnlich.

ich erklärte also erst mal die trainingsschritte.
dann war eine der aufgaben: bitte gleich stehen bleiben, wenn der hund auch nur ein bisschen zieht!

alleine: sie blieb nicht stehen. sie lief an gespannter leine ihrem hund hinterher.

ich also wieder: „bitte einfach stehenbleiben!“

sie:  „ich kann nicht, er zieht so!“

2 kg hund gegen 80 kg mensch….

ich würde natürlich nie und nimmer die innere größe und stärke eines chihuahua unterschätzen wollen, sicher nicht! aber in sachen gewicht und körperkraft war der mensch doch überlegen.

was beweist: innere stärke hebelt selbst körperliche übermacht aus :-).

rein kräftemäßig hätte die frau den hund ganz leicht halten und stehen bleiben können, kein thema.
es entsprach aber nicht ihrer erfahrung, nicht ihrer erwartungshaltung, nicht ihrer einstellung.

und so zog der 2kg hund die 80kg frau ungebremst hinter sich her….

leineziehen ist kein naturgesetz

solange man – meist unbewusst – davon ausgeht, dass ein hund eben an der leine zieht, dass das nunmal so ist, dass es anders gar nicht wirklich geht….

…solange wird man mit dem leinentraining seine liebe mühe haben.

weil man sich gar nicht wirklich vorstellen kann, dass der hund einfach an lockerer leine mitläuft.

vielleicht auch deswegen, weil man schon einen hund (oder mehrere) hatte, und der zog auch dauernd an der leine und es war nicht wegzukriegen gewesen.

weil man unterwegs auch nicht viel anderes zu sehen bekommt als hunde, die immer wieder oder durchgehen an gespannter leine vor ihrem menschen herlaufen.

da kann sich schon mal die überzeugung festsetzen, dass es nicht anders geht.
und das kommt einem beim leinentraining ganz schön in die quere!

denn dann stellt sich der körper auf die spannung ein und geht auch auf spannung, man registriert gar nicht, wann die leine nur so ein bisschen spannt (das fühlt sich ja noch nicht so schlimm an) und das ganze timing geht den bach runter – ohne das aber das leinentraining nicht funktioniert.

also glaub bitte daran, dass es geht!
dass auch dein hund an lockerer leine laufen kann.

ein paar ungewöhnliche leinen-übungen

hier ein paar tipps, wie du das anstellen kannst:
(mach die übungen ein paar tage lang immer wie der und beobachte, was passiert – am besten aber parallel mit vernünftigem leinentraining!)

  1. dein lockerer arm:
    nimm die leine in die hand (ohne hund!), lass deinen arm locker an deiner seite hängen, die leine locker zu boden baumeln und spür, wie angenehm sich das anfühlt.  präg dir das gefühl gut ein.
  2. die lockere leine:
    behalt die entspannung in deinem arm bei, winkle aber als nächstes den ellbogen an – so wie du es beim spazierengehen mit dem hund machst, wenn du die leine hältst.  behalt das angenehme entspannte gefühl auch in dieser armhaltung bei.
  3. der lockere hund:
    bleib in dieser körperhaltung, die leine in der hand (die locker zu boden hängt) und stell dir nun vor, dass du mit dem hund unterwegs bist. der läuft ganz entspannt an lockerer leine mit dir mit – stell dir das richtig bildlich vor, schau mal: jetzt wird er langsamer und schnüffelt ein wenig, jetzt geht er weiter, wird etwas schneller, aber er bremst sich wieder ein, bevor das ende der leine erreicht ist….
    achte drauf, dass dein arm auch wirklich so entspannt bleibt, wie er vorher war und nicht schon die blosse vorstellung vom hund an der leine deinen muskeltonus wieder erhöht.

es gibt noch einen anderen typen menschen an der leine, als die oben geschilderte frau.

ich möchte dir auch beppo vorstellen (so nenn ich ihn hier mal):

 

 

 

 

 

 

 

beppo war ein junger, kräftiger rüde, ein berner sennen-mischling, vermutlich mit einer dampflok gekreuzt, und mit 35kg kampfgewicht.

der stemmte sich mit aller kraft in die leine, oft so heftig, dass er richtig in schräglage kam, wenn er ein paar zentimeter außerhalb der reichweite der leine schnüffeln wollte.

allerdings nur mit herrchen.
mit mir im training konnte beppo wunderbar an durchhängender leine gehen
(klar, der trainerinnen-bonus spielte natürlich auch eine rolle, aber eben nicht nur).

der grund dafür?

sein herrchen war fest entschlossen, sich von seinem hund nicht durch die gegend schleppen zu lassen.
und verließ sich dabei – wie sonst in seinem beruf und leben auch – auf seine körperkraft.
(von der auch einiges hatte!)

er nahm also die leine kürzer, spannte sie ordentlich, damit beppo nicht weiterkam und bremste ihn via körperkraft.

nun, du weisst ja, wie ein zerrspiel zwischen kräftigem hund und auch noch so kräftigem menschen in der regel ausgeht:

der hund gewinnt.
weil er erst recht zieht und erst recht mit ziehen im leben weiterkommt (hurrah, erfolg!)

auf die idee, die leine locker zu lassen, kamen beide erst gar nicht!

die einstellung:
– ein hund zieht eben, und
– der stärkere setzt sich durch
waren hier das problem.

es geht auch leicht

es hat oft tiefsitzende gründe bei uns menschen, warum wir uns gar nicht vorstellen können,
dass etwas auch leicht und locker und entspannt gehen kann.
wenn wir auf widerstand treffen (und ein hund, der an der leine zieht, ist eine form von widerstand), dann schalten wir unwillkürlich auf gegenwehr, auf kraft und kampf.

und wenn es noch so sinnlos ist!

wenn du das zumindest ein wenig angehen magst, dann probier’s mal damit:

  1. die frage
    stell dir mindestens einmal täglich die frage: „was wäre, wenn es auch leicht ginge?“
    du musst sie nicht beantworten, keinesfalls.
    du sollst dir nur die frage stellen – und dein gehirn /dein unterbewusstes dann werken lassen.
  2. das loslassen
    wer den hund mit kraft an der leine halten will oder gern im reflex die leine kürzer nimmt, versucht kontrolle zu behalten. auch wenn es so nicht wirklich funktioniert (ein gut funktionierendes aufmerksamkeitssignal gibt dir 10x mehr kontrolle über den hund!)
    nimm die leine in die hand – und dann lass los. lass sie auf den boden fallen.
    und stell dir gleichzeitig vor, dass du deinen hund mit seinem namen /einem aufmerksamkeitssignal anredest und er sofort neben dir ist.
    üb mit dieser simplen handlung ein wenig loslassen ein und gib deinem unterbewussten ein anderes bild von kontrolle.
  3. das ausatmen
    zu den wichtigsten werkzeugen im hundetraining überhaupt zählt das ausatmen, besonders aber im leinentraining.
    wenn du tief und hörbar ausatmest, dann entspannt sich dein körper ganz unwillkürlich – und dein hund ganz automatisch mit.  damit unterbrichst du wirksam euer zerrspiel (und deine emotionen, falls dir die zieherei mal wieder auf die nerven geht!
    entspannung ist das, was man für eine lockere leine braucht. also üb auch das erst mal im trockentraining.
    stell dir vor, dein hund zieht an der leine, atme tief aus und spür, wie du dich entspannst und wie die leine locker wird.  wenn du das vorher schon übst, fällt es im bedarfsfall leichter.

ich hoffe, du hast spaß beim ausprobieren und experimentieren mit diesen tipps.

über die autorin 

brigid

brigid weinzinger ist tiertrainerin und verhaltensberaterin für hund, katz, pferd und mensch. sie bloggt auf www.denktier.at über das leben mit tieren und tipps für deren ausbildung.