BLOG


by brigid

Oktober 19, 2025

aversives training

es ist traurig, dass wir immer noch über gewalt und aversive trainingsmethoden in der hundeerziehung reden müssen.
aber es ist wichtig.

erstens, um zu erkennen, wann man es mit potentiell bedenklichen oder sogar tierschutzrelevanten methoden zu tun hat.
zweitens, um zu wissen, welche gesetzliche handhabe es gibt und was man – auch als einzelperson – dagegen tun kann.

welche methoden sind aversiv?

aversiv ist ein begriff aus der lerntheorie und beschreibt eine trainingsmethode, bei dem der hund über unangenehme folgen für falsches verhalten erzogen wird.
die bandbreite reicht dabei von anschnauzen über unangenehme geräusche (rasselbüchse, trainings-discs, etc),
das werfen von gegenständen in richtung hund (leine, schläuche,….) bis zu körperlicher einwirkung auf den hund
(leinenruck, schlagen, treten, nackenfell schütteln…).

die idee dahinter: der hund soll durch die strafe lernen,  etwas unerwünschtes nicht mehr zu machen.
soweit die theorie. in der praxis funktioniert das mit der strafe ganz anders, wie ich hier mal beschrieben habe.

der begriff  „gewalt“ hingegen stammt nicht aus der lernforschung, sondern aus der psychologie bzw. dem strafrecht.
gewalt ist das absichtliche verwenden von physischer oder psychischer macht mit der intention,
dem anderen schaden zuzufügen, ihn zu unterwerfen oder zu verletzen. 

wann gewalt vorliegt, kommt zu einem guten teil auf die subjektive wahrnehmung des opfers an.
vor allem bei psychischer gewalt oder einschüchterung ist das maßgeblich.

in der hundeerziehung gibt es jene, die mit voller absicht aversiv trainieren
und die körperliche strafen wie tritte oder gezielte einschüchterung des hundes als „erziehungsmittel“ einsetzen.

aufpassen muss man aber auch, wenn man als unerfahrener hundemensch trainingsmethoden empfohlen bekommt,
die halt „immer schon so“ gemacht wurden und nicht so offenkundig gewalt sind wie tritte oder schläge.
leinenruck, schimpfen  mit dem hund, körpersprachliches blocken und ähnliches sind ebenfalls schon formen von gewalt.

was sagt das gesetz?

die tierschutzgesetze in den deutschsprachigen ländern verbieten tierquälerei ganz klar und in ähnlichem wortlaut.

in deutschland gilt als tierquälerei, wenn man „ein wirbeltier ohne vernünftigen grund tötet oder einem wirbeltier aus rohheit erhebliche schmerzen oder leiden beziehungsweise länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche schmerzen oder leiden zufügt“ (§ 17 TierSchG).

in österreich ist es verboten „einem tier ungerechtfertigt schmerzen, leiden oder schäden zuzufügen oder es in schwere angst zu versetzen“ (§5 TSchG))

in der schweiz macht sich der tierquälerei strafbar, „wer vorsätzlich ein Tier misshandelt, vernachlässigt, es unnötig überanstrengt oder dessen würde in anderer weise missachtet;“ (art. 26 TSchG)

die begriffe „ungerechtfertigt“ oder „ohne vernünftigen grund“ sind deswegen enthalten, weil es einige wenige und sehr eng definierte ausnahmen geben kann (liest man die offiziellen erläuterungen zu den gesetzespassagen).

als gerechtfertigt gilt das zufügen von schmerzen oder leiden nämlich nur dann, wenn
– das für die medizinische behandlung des tieres unumgänglich ist
– ein fall von notwehr und abwendung akuter gefahr durch das tier es erforderlich macht.

die anwendung von körperlichen strafen oder anderen formen von gewalt als mittel der erziehung ist also NICHT zulässig!

WICHTIG: wenn aversive trainer eine situation absichtlich herbeiführen oder es darauf ankommen lassen,
in der sie den hund dann mit tritten, schlägen oder sonstigem von sich „abwehren müssen“,
ist das laut gesetzt keine rechtfertigung für die gewaltanwendung und ein klarer fall von tierquälerei.

mal ganz abgesehen davon, dass es dumm ist.
(warum aversive trainer:innen so dumm und brutal vorgehen, wäre nochmal eine eigene diskussion).

was kann man tun?

die besten gesetze helfen nichts, wenn sie nicht zur anwendung gebracht werden können.
damit das geschehen kann, müssen verstöße zur anzeige gebracht werden.

wer eine tierquälerei beobachtet oder davon kenntnis hat, sollte daher nicht untätig bleiben.
was man tun kann oder sollte, hängt dabei vom jeweiligen fall ab.

gelinde fälle oder unkenntnis des halters: 
manchmal wird man zeuge, wie jemand seinen hund am halsband herumruckt oder ein verbotenes hilfsmittel
(in österreich zum beispiel halti, maulschlaufe oder halsband ohne zugstopp) verwendet.
wenn die möglichkeit dazu besteht, kann es helfen, den menschen ruhig und freundlich anzusprechen und ihm einen tipp zu geben, dass das verboten ist.
vorwürfe oder anklagen sollten unterbleiben (sosehr sie einem auf der seele liegen mögen), da das beim gegenüber nur ablehnung erzeugen würde.

wiederholte verfehlungen, schlechte haltung des hundes: 
ist der hundehalter nicht gesprächsbereit oder weiß man, dass ein hund schlecht gehalten wird,
dann kommt wendet man sich am besten an eine kundige stelle (oder recherchiert selber),
um herauszufinden, ob es sich dabei um einen eindeutigen gesetzlichen verstoß handelt oder die haltung des hundes nur nicht so ist, wie sie sein sollte.

wenn der nachbar mit dem hund nicht oft genug spazierengeht
oder ihn regelmäßig alleine im garten lässt, wo er bellend am zaun entlangrennt,
dann ist der hund zwar arm, aber es liegt in der regel kein gesetzesverstoß vor.
die behörde wird daher nicht dagegen vorgehen und man selber bleibt frustriert zurück.

liegt hingegen ein verstoß gegen das tierschutzgesetz vor, dann muss der dokumentiert werden.
das kann schwierig sein, weil man das für eine anzeige über ein paar wochen hinweg protokollieren müsste,
dass zum beispiel der hund nicht spazierengeführt wird.

einfacher ist es bei punktuellen verstößen wie dem tragen von halsband ohne zugstopp,
wo ein foto mit zeitpunkt, ort des geschehens und im idealfall einem zeugen reicht.

wie weit man bei gelinden verstößen die polizei und behörde zum einschreiten bewegen kann, ist individuell sehr unterschiedlich.
ob sich das lohnt oder man nicht doch versucht, mit aufklärung oder unterstützungsangeboten einzugreifen, kann nur von fall zu fall entschieden werden.

körperliche gewalt und misshandlungen:
wird man zeuge von tritten, schlägen oder sonstiger gewalt gegen einen hund,
sollte man jedenfalls eine anzeige machen, wenn man den fall dokumentieren kann.

wichtig: unbedingt foto oder video-material, genaue angaben zu zeitpunkt und ort des verstoßes vorlegen.
im idealfall – wenn zum beispiel jemand körperliche strafen regelmäßig zu „erziehungszwecken“ anwendet – mehrere fälle dokumentieren und noch andere zeugen beibringen.
je genauer der vorfall dokumentiert ist, desto besser kann die behörde einschreiten.

anzeigen können übrigens auch anonym erstattet werden!
das kann wichtig sein, wenn man vergeltungsaktionen des beklagten fürchtet.

was man nicht tun sollte, im interesse der hunde: wegschauen.
danke allen an dieser stelle, die das nicht tun!

über die autorin 

brigid

brigid weinzinger ist tiertrainerin und verhaltensberaterin für hund, katz, pferd und mensch. sie bloggt auf www.denktier.at über das leben mit tieren und tipps für deren ausbildung.