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by brigid

November 8, 2015

haben hunde nun eine rangordnung und müssen wir als menschen drauf achten, „oben“ zu bleiben? oder ist das alles nur unfug? wenn es um dominanz und rangordnung geht, wird es ganz schnell emotional. jedenfalls bei uns menschen. (ich hab den verdacht, die hunde selber nehmen das viel cooler).

das hat seine gründe. in der menschlichen geschichte einerseits, also der des hundetrainings. und in der menschlichen psyche andererseits. aber der reihe nach…

die anfänge des hundetrainings liegen bei militär und polizei und in amerika sogar im kloster (google mal nach die „monks of new skete“, denen kannst du noch heute deinen hund 2 wochen „zur ausbildung“ schicken, die dann mit dem elektroschock-halsband gemacht wird, ganz „sanft“ natürlich).

das sind alles streng hierarchische organisationen, deren weltsicht und blick auf die hundwelt ebenso hierarchisch geprägt war. aus der biologie war in sachen tierischer sozialsysteme zu der zeit, also anfang des letzten jahrhunderts, auch in erster linie nur hierarchisches bekannt, nämlich die hackordnung der hühner. warum also sollten hunde da anders sein als die hühner und soldaten?

noch dazu schienen die beobachtungen an wölfen die rangordnungs-theorien zu bestätigen. dummerweise nahm man an, dass die völlig unnatürliche situation von nicht verwandten wölfen in viel zu kleinen gehegen, wo einmal täglich futter reingeworfen wurde, irgendetwas mit dem echten sozialleben von wölfen oder hunden zu tun hatte.

sagen wir mal so: das ist in etwa so, als wolle man menschliche benimmregeln durchs beobachten eines lynch-mobs herausfinden.

wissenschaftlich ist die dominanz-theorie längst widerlegt und neu ausgearbeitet. wir wissen heute, dass

  • es nicht um „dominanz“ geht, sondern um ressourcenkontrolle
  • dass diese sehr unterschiedlich und meist friedlich geregelt werden kann
  • und es von der situation abhängt, wer überhaupt anspruch auf eine ressource (wie futter, liegeplatz oder ähnliches) erhebt.

wir wissen ausserdem, dass wölfe in freier natur als familieverbände leben und funktionieren, ganz ähnlich übrigens wie wir menschen. da kümmern sich die elterntiere liebevoll um den nachwuchs und der nachwuchs weiß genau, wer erwachsen und souverän ist.  da muss keiner rumbrüllen, dass er aber jetzt der chef ist und alle anderen zu kuschen haben!

trotzdem halten sich im hundetraining hartnäckig erziehungsregeln, die falscher nicht sein könnten.

falsch ist…

der hund darf nicht vor dir durch die türe gehen –
weil der ranghöhere zuerst geht. was natürlich unfug ist. wenn erfahrung und umsicht gefragt sind, gehen mama oder papa wolf voran, wenn jugendliche kräfte im tiefschnee die spur ziehen können, lassen sie schon das jungvolk voran laufen!

der hund darf nicht oben liegen –
weil der ranghöhere auch den höher gelegenen liegeplatz für sich beansprucht.  den hund im rudel zeige mir mal wer, der lieber am felsen in der sonne brütet, als gemütlich unten im schatten zu liegen. was ein guter liegeplatz ist,  hängt definitiv nicht vond er höhe ab. sonst müsste der familienvater oben am schrank sitzen!

der hund darf nicht zuerst (fr)essen –
weil, genau: der chef zuerst kommt und sich den bauch vollschlägt. das mag für feudalherren in der menschlichen gesellschaft gelten, unter wölfen und hunden gilt es erst mal, das überleben der nachkommen zu sichern. da verhungert garantiert kein welpe, weil zuallererst der rudelchef sein futter vertilgt.

der hund darf nur hinter dir laufen –
weil siehe oben, der ranghöhere angeblich voran geht. und das noch jeden schritt seines lebens. da fehlt dann nur noch, dass mangelhaftes leinentraining und das gezerre an der leine der „dominanz“ zugeschrieben werden (und ja, auch das ist mir nicht erst einmal untergekommen!)

 

richtig ist…

auf die situation kommt es an –
wer voran läuft und wer hintendrein, wer oben liegt und wer wo anders, wer zuerst futtert und wer später, das kommt immer alles auf die situation an – was eben praktischer ist und mehr sinn macht. das sollte auch für die hundeerziehung gelten: zum beispiel läuft beim normalen spazierengehen der hund vorne, an gefährlichen stellen schaut erst mal der mensch und gibt dann sein ok.

verantwortungsvolle elternfiguren sind gefragt –
hunde brauchen natürlich jemanden, der die führungsverantwortung umsichtig übernimmt. noch dazu in einer welt, die ja nicht so ganz die ihre ist. unter hunden sind das die exemplare, die ganz ruhig und souverän und selbstverständlich da sind und beispiel geben. wer laut wird und rumbrüllt, hat sich dem hund oder wolf gegenüber schon als unsicher und als versager entpuppt. kommandoton ist also was für loser.

auf die ressourcen kommt es an –
die sogenannte „rangordnung“ ist eigentlich ein abklären, wer eine gerade wertvolle ressource für sich beanspruchen und den anspruch notfalls auch durchsetzen kann. ein ausgehungerter hund wird fressbares ganz anders verteidigen als ein satter, und nicht jedem hund ist alles gleich wichtig. in aller regel werden die ressourcenansprüche übrigens mit ein paar blicken und etwas körpersprachlicher kommunikation verhandelt, das war’s auch schon. und morgen kann dabei ganz was anders rauskommen. solange also dein hund die autoschlüssel, den kühlschrank und die fernbedienung vom fernseher nicht unter seine herrschaft gebracht hat, musst du dir keine sorgen machen.

freunde dürfen mehr als fremde –
welche „vorrechte“ ein hund dem anderen zugesteht, hängt vom grad der vertrautheit ab. sprich: davon, wie sicher man sich mit dem anderen fühlt. einen fremden hund lässt man nicht so schnell ins eigene körbchen oder auch nur in die eigene wohnung, einen guten freund dafür schon (wobei es hunde gibt, die in 10 sekunden freundschaften schließen, und andere, die auch nach 10 jahren nur wenige freunde haben 🙂 ). das ist bei uns menschen ja nicht viel anders.

unterm strich bleibt:
es gibt souveräne, gelassene hunde, die für ruhe in einer gruppe sorgen können, einfach durch ihre anwesenheit. ob sie daraus auch irgendwelche ansprüche auf ressourcen ableiten, hängt ganz davon ab. oft grade nicht. das ist dann ein echter „chef“ unter hunden. er ist sicher, hat keine angst und muss daher nicht zwanghaft die kontrolle behalten oder ausüben.

die sache mit der kontrolle ist eher eine menschliche angelegenheit. dahinter steckt natürlich die angst. die angst, die kontrolle zu verlieren, und wer weiß, ob einem dann nicht der himmel auf den kopf fällt! oder der familienhund die herrschaft an sich reißt.  was der himmel so vorhat, weiß ich nicht, aber ich kann dir versichern, dass dein hund keine umstürzpläne schmiedet!  du kannst also getrost nach ihm durch die türe gehen, nach ihm essen und ihn bei dir auf dem sofa liegen lassen, wenn du magst…

 

…und wenn die beziehung zu deinem hund für dich ein thema ist und du was dafür tun möchtest, wie wär es mit dem online-kurs „die bindung vertiefen“? im dezember gibt es ihn wieder!

 

 

 

über die autorin 

brigid

brigid weinzinger ist tiertrainerin und verhaltensberaterin für hund, katz, pferd und mensch. sie bloggt auf www.denktier.at über das leben mit tieren und tipps für deren ausbildung.