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by brigid

Februar 28, 2021

online hundeschule

wenn von stress beim hund die rede ist, geht es praktisch immer um stressabbau und stressvermeidung.
was klar ist: weil fast alle hunde heutzutage zu viel aufregung im leben und damit stress haben.

dadurch entsteht leicht der eindruck, das ziel wäre:
null stress.
kein fünkchen aufregung.
nur ruhe, ruhe, ruhe.

das kann zwar ein paar wochen lang in einem rigorosen anti-stress-programm mal angesagt sein,
ist aber natürlich nicht das eigentliche ziel.

im gegenteil: wir wollen stress nicht von der ersten lebenswoche bis zum letzten atemzug des hundes völlig vermeiden.
schließlich hat die natur die erregungsreaktion ja nicht dafür erfunden,
damit wir menschen uns damit rumplagen können.
das ganze hat (jedenfalls ursprünglich) ja einen sinn.

die normale funktion von stress

aufregung hat ihre funktion.
sie aktiviert den körper.
sie macht ihn handlungsbereit.
sie erlaubt einem lebewesen, auf veränderungen in der umgebung angemessen zu reagieren.

man kann sich das wie eine skala der aufregung von null bis hundert vorstellen.
im schlaf steht der regler auf null.
doch schon beim aufwachen und im aufstehen steigt die aufregung ein wenig.
sonst käme der hund gar nicht von der matte.

wenn mehr körperlicher einsatz gefordert ist, sorgt der anstieg des erregungspegels dafür,
dass der körper auch tatsächlich mehr liefert und mehr energie bereit steht.
damit der hund zum beispiel schnell rennen kann,
damit er energie zum spielen mit einem anderen hund hat,
damit er eine knifflige situation durch nachdenken lösen kann, etc.

die beiden hormone adrenalin und cortisol sorgen dafür,
dass dem hund diese extra energie zur verfügung steht (das macht das adrenalin)
und dass er andererseits keine energie für weniger dringliche funktionen einsetzt (dafür sorgt das cortisol).

ist der aktuelle energiebedarf vorbei,
reguliert sich alles wieder auf normal zurück,
die hormone werden abgebaut und der hund erholt sich wieder.

stress-resilienz

wie viele stresshormone ausgeschüttet werden,
wie hoch der erregungspegel steigt
und wie lang die erholungsphase danach dauern muss,
das hängt von zwei faktoren ab:

erstens an der nötigen menge von körperlicher aktivierung.
wenn der hund vor einem feind flüchtet und um sein leben rennt, ist maximale energie gefragt.
im vergleich dazu ist für den aufbruch zu einem gemütlichen spaziergang viel weniger energie
und daher ein deutlich niedrigerer anstieg des erregungspegels nötig.

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zweitens hängt das ab vom ausmaß der veränderung,
die der hund zu verarbeiten hat.
je weniger bekannt und vertraut etwas ist, desto aufregender
(weil es ja theoretisch das auftauchen eines feindes und nötige flucht bedeuten könnte).
je vertrauter der hund mit etwas grundsätzlich ist
und je sicherer er sich mit neuem fühlt, desto niedriger ist wieder der anstieg der erregungskurve.

wichtig ist nun eines:
der hund soll die im normalen alltag vorkommenden erregungsanstiege gut verkraften
und sich davon schnell wieder erholen können.
ist das gegeben, dann spricht man von stress-resilienz.
salopp formuliert: der stress überfordert den hund nicht, er kommt damit zurecht.
und vor allem: er baut sich schnell wieder ab!

damit kommen wir zu zwei wichtigen punkten:

um stress-resilienz zu entwickeln, muss der hundekörper die stressreaktion kennen,
sie muss normal ablaufen und in eine erholungsphase münden.
(neurophysiologisch formuliert: die rückkoppelungsmechanismen müssen funktionieren können).

das geht nur, wenn erst der welpe und später der hund gelegentlichen und moderaten (!!!) stress erlebt.
wächst ein welpe zum beispiel völlig abgeschieden in einer scheune und ohne außenreize auf,
dann hat er keine gelegenheit, neues oder veränderungen als etwas normales kennenzulernen
und damit mit einem angemessenen kleinen anstieg der erregungskurve zu reagieren.
vielmehr wird dann später jede kleinigkeit zu einem riesigen stressanstieg, der den hund überfordert
und von dem er sich nicht schnell genug erholen kann.

es bringt daher nichts, einen welpen oder einen hund unter die glasglocke zu stellen und vor allem behüten zu wollen.
umgekehrt ist aber genauso verkehrt:
dem welpen „alles“ zu zeigen und ihn täglich mit tausend eindrücken zu überfordern, ist mindestens so verkehrt
und führt unter garantie in das andere problem: die zu hohe und chronische stressbelastung.

stressbelastung

steigt der erregungspegel so hoch an,
dass der restliche tag nicht mehr reicht, um wieder auf normal zu kommen
oder dass zumindest innerhalb von zwei bis drei tagen wieder alles normal ist,
dann sprechen wir von einer stressbelastung.

die kann kurzfristig sein und nach einem ereignisreichen wochenende mal ein paar tage dauern,
oder aber sie ist – und das ist der weitaus häufigere fall – chronisch:
der hund hat also über wochen, ja monate oder gar jahre hinweg zu viele stresshormone im körper
und einen dauerhaft erhöhten erregungspegel,
die notwendigen erholungsphasen fehlen, der normalzustand kann sich gar nicht mehr einstellen.

die chronische stressbelastung ist deswegen so weit verbreitet,
weil einerseits der hundealltag heutzutage zu viele aufregungen bereit hält (wenn man nicht aktiv gegensteuert)
und weil wir die anfänge der stressbelastung meist nicht mitbekommen.

stress baut sich ja schleichend auf.
wir haben ja keine anzeige außen am hund drauf, wo wir den pegel der stresshormone ablesen
und kontrollieren könnten, ob sie bis zum nächsten morgen wieder alle weg sind.
geringfügige veränderungen im hundeverhalten laufen oft unmerklich ab,
wir haben den hund tagtäglich um uns und merken das alles erst, wenn es viel zu spät ist
und die aufgeregtheit des hundes zum problem wird.

wir sollten also immer ein auge darauf haben, wie denn der erregungspegel beim hund grade ist
und vor allem auf die ersten anzeichen von stress schauen.
leider werden die oft nicht gesehen, sind zum teil nicht bekannt oder werden gar missverstanden als spaß oder lachen beim hund.

daher gibt es demnächst eigens ein webinar zu zu diesem thema. unter dem titel „fröhlich, aufgeregt oder gestresst? stress beim hund erkennen“ schauen wir uns genau an, welche details uns verraten, ob der hund gut drauf ist oder schon (zu viel) stress hat.  wer interesse hat, kann sich gleich hier zum webinar anmelden (kostenlos):

die stressbelastung wirkt sich nämlich nicht nur auf das verhalten des hundes aus –
das ist ja meist das, was uns menschen dann zu schaffen macht –
sondern auch auf seine gesundheit.
chronischer stress belastet den gesamten organismus, beeinträchtigt den verdauungstrakt,
macht anfälliger für infektionen und allergien und wirkt sich langfristig auf herz und kreislauf aus.
und das haben sich unsere hunde nun wirklich nicht verdient!

 

über die autorin 

brigid

brigid weinzinger ist tiertrainerin und verhaltensberaterin für hund, katz, pferd und mensch. sie bloggt auf www.denktier.at über das leben mit tieren und tipps für deren ausbildung.