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by brigid

Dezember 10, 2017

nicht alles, was als trennungsangst beim hund bezeichnet wird, ist es auch.

zum glück!

denn echte trennungsangst ist ein oft tiefsitzende störung des verhaltens, unter der der hund sehr leidet und die schon einiges an geduld und training – vor allem richtigem training – braucht, bis man sie halbwegs im griff hat.

wenn du nun denkst: na gott sei dank, das hat mein hund nicht, der kann problemlos allein bleiben!

erstens: glückwunsch!
zweitens: vorsicht! trennungsangst kann leider jederzeit entstehen.

drum sollte man sich mit dem thema mal beschäftigt haben.

daher zuerst mal der unterschied zwischen trennungsangst und trennungsstress.

trennungsangst

bei trennungsangst hat der hund eine wirkliche verhaltensstörung und empfindet selbst kurzfristiges alleinbleiben als völlige soziale isolation, verbunden mit schwerer angst oder sogar panik. der hund leidet dabei extrem!

bemerkbar macht sich trennungsangst in der milderen form durch ständige unruhe des hundes, wenn er alleine ist, oder vor der tür lauern, dass sein mensch endlich wieder kommt.
etwas heftiger dann, wenn der hund pausenlos bellt oder fiept und jammert.

in schwereren fällen reagiert der hund seine angst und panik übers maul ab – und zerreisst oder zerbeißt dinge. meist sind das jene sachen, die er mit nähe zum menschen oder eigenem komfort verbindet: also das hundekörbchen oder sofa oder bett der menschen.

unsauberkeit ist die andere form, in der sich schwerere trennungsangst äußerst. gemeint ist damit nicht bloss mal reinpinkeln, sondern oft intensives koten und pinkeln, bevorzugt ebenfalls in den komfortzonen – also sofa oder bett (aber nicht notwendigerweise).

was der hund in keinem fall tut: er macht es dir nicht „zu fleiß“ oder aus „protest“.
dazu müsste er das verhalten steuern können.
kann er aber nicht.
er hat einfach angst.

in den ganz schweren fällen von trennungsangst versucht der hund (oft schon nach wenigen minuten alleinsein!) sich durch fenster oder türen nach draußen zu beißen, um zu seinem menschen zu kommen.
zerbissene türstöcke oder löcher in der mauer legen ein beredtes zeugnis von der panik des hundes ab!

trennungsstress

von trennungsstress spricht man, wenn der hund – oft nur vorübergehend – stress mit dem alleinbleiben hat.

meist tritt das phasenweise auf oder nur manchmal.
und zu anderen zeiten klappt das alleine bleiben gut.

ganz typisch tritt trennungsstress nach einer übersiedelung auf –
egal, ob nun nur der hund übersiedelt ist, weil er in ein neues zuhause kam,
oder ob alle gemeinsam übersiedelt ist.

der hund fühlt sich in seiner neuen umgebung noch nicht sicher,
er hat grade alles vertraute verloren und hinter sich gelassen,
und muss sich nun erst eingewöhnen und wieder sicherheit gewinnen.

in solchen phasen hängt er oft besonders an seinen menschen –
kein wunder, die sind ja rückhalt und sicherheit für ihn –
und verträgt es daher schlechter, wenn er alleine bleiben muss.

trennungsstress tritt oft auch bei hunden auf, die generell gerade intensiveren stress im leben haben.
stress macht nämlich emotionaler und zuwendungs-bedürftiger,
der hund wird anhänglicher und braucht seine menschen mehr –
und schafft daher das alleine bleiben nicht mehr so gut.

bei älteren hunden kommt es oft lebensphasenbedingt zu trennungsstress.
es kann schon vorkommen, dass ein hund, der sein leben lang gut alleine bleiben konnte, das im alter nun nicht mehr so gut schafft.

das gute an trennungsstress ist:  in vielen fällen (leider nicht in allen) reicht es, wenn die ursache verschwindet – also die eingewöhnung nach der übersiedlung abgeschlossen ist oder die stressphase abklingt – und dann geht das alleine bleiben auch wieder besser.

 

wie trennungsangst entsteht

warum können nun manche hunde von klein an – wenn man sie behutsam daran gewöhnt – gut alleine bleiben und andere so gar nicht?

das kann mehrere ursachen haben:

1. die fünfte lebenswoche

in den ersten lebenswochen kennen welpen gar keine angst.
sie brauchen sie auch nicht, denn außer schlafen und an der zitze nuckeln können sie eh noch kaum was tun.

in der ca. fünften bis siebenten lebenswoche (je nach rasse etwas unterschiedlich) entsteht dann angst erst.
sie ist die vorsichtsmaßnahme der natur, damit die nun schon mobilen und unternehmungslustigen welpen sich nicht zu sehr in gefahr bringen.

was in dieser phase nun zu angsterlebnissen führt, wird besonders intensiv abgespeichert.
findet sich der welpe genau in dieser zeit irgendwo allein wieder und bekommt es mit der angst zu tun
– oder ist er gar häufiger von der mutter und vertrauten personen getrennt (zum beispiel weil der wurf im tierheim landet) – kann daraus massive trennungsangst fürs leben entstehen.

2. soziale isolation

ähnlich ergeht es einem welpen, der in den ersten lebenswochen und -monaten viel alleine sein muss oder von seinen menschen weggesperrt wird.

zum beispiel, weil der welpe nachts im wohnzimmer oder vorzimmer bleiben muss, während alle sich ein stockwerk höher zum schlafen zurückziehen.

oder weil er nachts in eine box gesperrt wird (was leider als sauberkeitstraining oft noch empfohlen wird) oder viel zeit alleine in einem anderen raum verbringen muss, damit er „seine ruhe hat“.

auch dabei kann ziemlich rasch das alleine sein als sehr schlimm empfunden werden und zu ausgewachsener trennungsangst führen.

hunde sind schließlich soziale lebewesen und isolation ist eine echte belastung für sie!

3.  traumatische erfahrung

leider kann trennungsangst auch recht spontan entstehen.
selbst bei einem hund, der jahrelang kein problem mit dem alleinsein hatte.

passiert nämlich während er grade alleine ist etwas,
was für den hund eine traumatische erfahrung darstellt,
dann verknüpft er dieses furchtbare erlebnis in aller regel mit dem alleinsein –
und fürchtet sich daher in zukunft davor.

was dabei ein traumatisches erlebnis darstellt, kommt ganz auf den hund an!
das reicht von scheinbar „harmlosen“ dingen wie einem furchtbaren knall vorm haus (z.b. durch einen autounfall) bis zu einschneidenden erlebnissen wie einem wohnungseinbruch oder einem todesfall des hundehalters, wo der hund erst nach ein oder zwei tagen aus der wohnung geborgen wird.

in vielen fällen findet man gar nicht raus,
was denn nun passiert ist,
während der hund grade alleine war.

wenn aber ein hund, der immer gut alleine bleiben konnte,
nun plötzlich jammert und bellt oder anfängt, dinge kaputt zu machen,
dann weiß man, dass etwas passiert sein muss.

denn nur so oder aus „protest“ reagiert der hund nicht mit trennungsangst.

was tun?

das allerwichtigste: trennungsangst muss man unbedingt ernst nehmen!

der hund leidet darunter erheblich.
wodurch die angst im lauf der zeit immer schlimmer wird!

die wichtigsten 3 tipps daher:

*  trennungsangst vergeht nicht von selber!

echte trennungsangst ist nichts, was von selber besser wird.
ganz im gegenteil!
in aller regel wird es nur immer schlimmer!
man muss daher gezielt etwas dagegen unternehmen.

* kein allein bleiben!

ein hund mit trennungsangst darf auf keinen fall allein bleiben müssen!
noch nicht mal kurz.
jede erfahrung von „ich bin allein = es ist ganz fürchterlich“ macht die angst schlimmer, den stress größer und die lösung des problems langwieriger!

* ein zweiter hund ist keine lösung

wer glaubt, dass der hund sich weniger fürchtet, wenn er nicht allein, sondern mit einem anderen hund zusammen ist, der irrt sich.

dem hund geht es ja um seinen emotionalen und sozialen rückhalt, das ist mit ganz wenigen ausnahmen der mensch.
gut vertraute hunde, mit denen er aufgewachsen ist, mögen das ganze etwas lindern, nützen alleine gegen trennungsangst aber nichts.

und nimmt man sich einen zweiten hund erst dazu, damit der hund nicht so allein ist,
läuft man großes risiko, dass man dann zwei hunde mit trennungsangst hat.
angst ist nämlich hochgradig ansteckend!

bei trennungsangst führt kein weg an einer kompetenten (und wirklich einfühlsamen!) beratung und einem entsprechenden trainingsprogramm vorbei.

das braucht zeit und geduld.

doch die gute nachricht: es ist absolut machbar!
selbst in schweren fällen.

was dazu notwendig ist und was meine „härtesten“ fälle waren, in denen mensch und hund die trennungsangst erfolgreich überwunden haben? dazu ein andermal mehr….
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über die autorin 

brigid

brigid weinzinger ist tiertrainerin und verhaltensberaterin für hund, katz, pferd und mensch. sie bloggt auf www.denktier.at über das leben mit tieren und tipps für deren ausbildung.