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by brigid

Dezember 30, 2018

mein zweiter spezialtipp für die hundeerziehung klingt auf den ersten blick wie das gegenteil vom ersten tipp (den findest du hier).
da hieß es doch, dass man warten können soll.
und nun geht es drum, doch was zu tun und zwar rechtzeitig – das kann auch mal rasch erforderlich sein!

das paradoxe ist nämlich: während wir auf der einen seite ungeduldig sind und nicht warten können,
warten wir andererseits oft viel zu lang.
also wirklich viiiiiiiel zu lange,
bevor wir was tun.

nehmen wir mal ein häufiges thema:
der hund, der hundebegegnungen super aufregend findet.
was passiert da normalerweise?

wenn ein anderer hund kommt…

man ist mit dem hund unterwegs, ein anderer hund taucht auf.
der hund sieht ihn, ist aber noch ruhig.
man geht weiter, der hund zieht zwar ein wenig, aber soweit alles klar.
man hofft, es geht diesmal halbwegs gut (schließlich muss man ja vorbei).
der andere hund kommt immer näher, der eigene zieht ein bisschen mehr,
man nimmt ihn näher zu sich und dann fängt er doch an zu bellen.
und dann läuft das genau so, wie man’s kennt und eh schon befürchtet
und man kann nichts dagegen tun.

oder doch?

nehmen wir ein anderes beispiel:

menschen anspringen

der junge hund, der so gern an anderen menschen hochspringt.
jedesmal wieder dasselbe: es kommt jemand zur tür rein,
man ruft dem hund eh schon zu, dass er ruhig sein soll,
und wieder springt er
(und wird – wie eh jedem klar ist – für dieses verhalten von genau dem menschen, den er anspringt, mit aufmerksamkeit und ansprache belohnt!)
man selber fühlt sich wieder reichlich hilflos
und weiß einfach nicht, wie man das endlich in den griff bekommt.

…und das wirkliche problem?

es ließen sich noch zahllose beispiele finden:

man plagt sich rum mit dem hund,
– der dauernd an der leine zieht
– der nicht immer gleich kommt, wenn man ihn ruft
– der bei jedem geräusch gleich losbellt
– …. (füll ruhig dein problem hier ein)

sie alle haben einen gemeinsamen nenner:

der mensch tut das eine nicht, was nötig wäre:
rechtzeitig handeln!

wir sind immer zu spät dran:
dann, wenn der hund schon bellt oder wenn er schon zieht oder wenn er schon springt….
dann, wenn das problem schon da ist.
und dann, wenn der hund schon so aufgeregt ist, dass man wirklich nur noch schwer was tun kann.
(jedenfalls nicht im moment).

wenn wir bereits dann einschreiten würden, wenn noch alles ok ist,
wenn der hund also noch ruhig ist, noch nicht an der leine zieht, noch nicht springt,
dann wäre alles viel einfacher!

dann könnten wir nämlich den hund:
erstens: belohnen dafür, dass er was richtig macht
zweitens: ihm so beibringen, was denn das „richtige“ ist und
drittens: die situation unter kontrollen halten und das unerwünschte verhalten einfach vermeiden.

warum ist es also so schwierig, rechtzeitig zu handeln?
es wär ja eigentlich nicht so schwer,
– mit dem hund rechtzeitig und weit genug auszuweichen, wenn ein anderer hund auftaucht
– den hund rechtzeitig neben sich zu halten (und vielleicht sogar sitzen zu lassen), wenn ein besucher kommt
– dem hund schon von anfang an beizubringen, dass er nicht an der leine zieht
– usw.

oft genug wissen wir das sogar.
zumindest im nachhinein, wenn es mal wieder passiert ist ;-).

warum also machen wir es trotzdem nicht?

das hat natürlich einen tieferen grund.
man kann es verhaltensökonomie nennen oder trägheitsmoment, das ist geschmackssache.

fakt ist aber, dass wir gewohntes verhalten immer weiter machen, solange keine „störung“ eintritt.
also nichts passiert, was die gewohnte routine oder das übliche verhalten unterbricht,
und zwar so deutlich unterbricht, dass es wirklich störend wird und uns zwingt, etwas anderes zu machen.

das hat an sich schon seinen sinn:
man spart viel energie, wenn man alltagshandlungen auf autopilot schaltet und nicht bei jedem schritt drüber nachdenkt, wie man den nächsten macht (der dann eh wieder wie gewohnt ausfallen wird).
es ist viel ökonomischer, erlerntes und geübtes verhalten einfach weiter auszuführen, als zu unterbrechen und zu einem anderen verhalten zu wechseln.
(wer schon mal versucht hat, eine hartnäckige gewohnheit los zuwerden, weiß, wie schwer das ist!)

auch unser verhalten mit dem hund im alltag ist über weite strecken eines auf autopilot.
und daher reagieren wir erst dann, wenn eine „störung“ eintritt.
also erst dann, wenn der hund schon (für uns) unangenehm genug reagiert.

wir reagieren erst, wenn was „stört“

noch nicht mal dann, wenn das verhalten ein bisschen unangenehm ist.
nein, erst dann wenn es wirklich störend wird!

beim leinentraining wird das besonders deutlich.
warum gibt es so viele hunde, die zumindest ein bisschen oder öfter mal an der leine ziehen?
trotz leinentraining?

schlicht deswegen, weil es ihre menschen nicht besonders stört, solange sie nur ein bisschen oder nur gelegentlich ziehen.
und weil es ihnen ungleich mühsamer vorkommt, mal wirklich konsequent zu sein, dauernd stehen zu bleiben, nicht weiter zu gehen, solange der hund nicht wirklich an lockerer leine zieht.

das ist übrigens ein weiterer menschlicher mechanismus:  wir nehmen meist den kurzfristigen gewinn lieber als den langfristigen, selbst wenn der wesentlich größer wäre!
wir tauschen den momentanen komfort (ein bisschen leine ziehen jetzt tolerieren, statt den aufwand für konsequentes leinentraining betreiben) gegen den langfristigen gewinn (ein hundeleben lang keine leineziehen mehr), selbst wenn das unlogisch ist und wir dabei eigentlich draufzahlen.

wir tun also erst dann etwas, wenn eine massive störung von außen unser verhalten unterbricht.
weil der hund so stark gezogen hat, dass wir stürzen, oder sich an bei hundebegegnungen so gebärdet, dass wir uns kaum noch raustrauen.

dann ist es natürlich für den hund und für seine erziehung zu spät.
also nicht endgültig zu spät, aber für den moment jedenfalls.
und mit jedem mal, wird die (um)erziehung natürlich deutlich schwieriger.

ein hundemensch muss sich also auch selber erziehen.
man muss sich drauf programmieren,  nicht zu lange zuzuwarten, alles auf autopilot laufen zu lassen.
sondern was zu tun und zwar rechtzeitig.
und rechtzeitig ist meist sehr frühzeitig!
lange bevor unser normales „störungs“meldesystem anschlägt.

am besten geht das, in dem man mit „triggern“ arbeitet.
nämlich einerseits mit den triggern des hundes (das ist ja ohnehin recht bekannt)
aber auch, indem man sich selber gezielt trigger setzt.

wie das geht?
das gibt es dann nächste woche im blog zu lesen, im dritten spezialtipp zur hundeerziehung.
(bog gleich abonnieren, falls du ihn noch nicht bekommst, damit du den artikel nicht verpasst!)

 

 

 

über die autorin 

brigid

brigid weinzinger ist tiertrainerin und verhaltensberaterin für hund, katz, pferd und mensch. sie bloggt auf www.denktier.at über das leben mit tieren und tipps für deren ausbildung.