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by brigid

August 7, 2022

hund schwer erziehbar

man hört des öfteren, dass ein hund dieser oder jener rasse eben schwer erziehbar ist.
das sei ein dackel und daher stur und rückruf könne man vergessen, wenn der nicht will.
das sei ein husky und die seien nunmal fürs ziehen gemacht und daher ist da mit leinenführigeit nichts zu wollen.
oder das sei eben ein herdenschutzhund und der mache immer nur das, was ihm selber sinnvoll erscheint.

an die stelle von „dackel“, „husky“ oder „herdenschutzhund“ könnte man eine vielzahl anderer rassen auch einsetzen.
denn überraschend viele trainingsmängel werden mit der rasse begründet.

ja: trainingsmängel.

hund schwer erziehbar
nur allzuoft muss die rasse  herhalten als entschuldigung dafür,
dass mit dem hund in der erziehung was nicht so läuft, wie es sollte.
oder gleich als ausrede dafür, es erst gar nicht zu versuchen.

alle rassen lernen

dabei ist eines doch klar: jeder hund lernt.
jede hunderasse lernt.
(und jeder mensch und jedes andere tier lernt).

ohne lernfähigkeit könnte kein halbwegs weiter entwickeltes lebewesen überleben.
das lernen dient der anpassung an die umwelt und ermöglicht uns, mit dem leben gut zurecht zu kommen.

natürlich lernen auch dackel, husky und herdenschutzhund.
und alle anderen.
nicht nur als welpen, sondern ihr ganzes hundeleben lang.

jedes lebewesen, das lernfähig ist, kann auch bestimmte regeln und zusammenhänge erlernen.
erziehung ist nichts anderes, als ein bestimmtes regelwerk zu vermitteln.
so gesehen ist also jeder hund erziehbar, daran besteht überhaupt kein zweifel.

was nicht heißt, dass jeder hund gleich leicht erziehbar wäre!
da gibt es sehr wohl unterschiede.

die „schwer erziehbaren“

die meisten unterschiede in der erziehbarkeit des hundes liegen weniger an der rasse,
sondern vielmehr an anderen faktoren.

viel mehr als rassezugehörigkeit entscheiden zum beispiel
– die sozialisationsgeschichte des welpen
– die reizschwelle und der erregungspegel des hundes
– vorangegangene lernerfahrungen (mit lob und belohnung oder aber über druck und strafe)
darüber, wie leicht ein hund das lernt, was sein mensch ihm gerade beibringen möchte.
(dazu ganz unten noch etwas mehr).

nicht zu vergessen:
nicht jeder hund einer rasse ist wie der andere
(und mischlinge passen oft in gar kein rasse-schema).
es gibt labradore, die nicht ins wasser wollen,
border collies, die sich vor schafen fürchten,
berner sennenhunde, die aggressiv reagieren
und vieles vieles mehr.
jeder hund ist eben ein individuum.

trotzdem gibt es rassen, in denen bestimmte eigenschaften oder verhaltensweisen stärker ausgeprägt sein können,  als in anderen rassen.
schließlich ist jede heutige hunderasse das mehr oder weniger gelungene ergebnis
von menschlicher züchtung auf bestimmte eigenschaften –
entweder ein spezifisches aussehen oder bevorzugte verhaltensweisen.

fakt und fiktion

wir wollen uns an drei beispielen genauer anschauen,
welche rolle die rasse spielt und was durch erziehung machbar ist oder nicht.

1. jagdverhalten

ob ein hund jagt oder nicht, ist kein naturgesetz,
sondern eine kombination aus
a) genetik
b) (sozialem) lernen
c) impulskontrolle

das jagdverhalten kann beim einen hund jahrelang latent bleiben,
(das heißt, es wäre genetisch vorveranlagt, ist aber nicht aktiviert)
seine menschen haben schon beim welpen das hetzverhalten unterbunden
und viel wert auf den aufbau guter impulskontrolle geachtet.
ergebnis: der hund jagt nicht.

ein wurfgeschwister des selben hundes hingegen hetzt schon als welpe
jedem schmetterling und vogel und sowieso bällen und frisbees hinterher,
hat das pech, gleich im ersten lebensjahr mit einem anderen hund mit auf jagd zu rennen
(= aktivierung des jagdverhaltens)
und hat einen chronisch hohen erregungspegel und kaum impulskontrolle.
ergebnis: der hund jagt wie der teufel.

fakt ist: 
bei rassen wie dem ridgeback, einem foxhound oder einer bracke muss man mit höherer jagdlust rechnen als bei anderen rassen.
wie stark sie ausgeprägt ist und welche elemente der jagdsequenz überwiegen, hängt von rasse, zuchtlinie und dem einzelnen hund ab.

fiktion ist: 
einem hund der rasse xy mit jagdlichen interessen könne man keinen rückruf beibringen,
er müsse daher immer an der leine bleiben (oder man toleriert das jagen).
das ist schlichtweg falsch.

(mehr zum thema hetz- und jagdverhalten gibt es demnächst im kostenlosen webinar wenn der hund durchstartet„, zu dem du dich gleich hier anmelden kannst:

 

2. „sturheit“

die armen dackel, chow-chows oder terrier!
ihnen sagt man besonders häufig sturheit nach,
manche behaupten sogar, ein chow-chow wäre gar nicht zu erziehen.

das liegt im wesentlichen daran, dass erziehung immer noch gleichgesetzt wird mit
„folgsamkeit“, „fügsamkeit“, automatischer aufmerksamkeit für den menschen
und – leider auch noch – leichter einschüchterbarkeit durch den menschen.
diese dinge treffen tatsächlich auf viele chows oder terrier nicht zu.

wir sollten besser unterscheiden zwischen
– der eigenständigkeit eines hundes (mehr dazu hier)
– den erziehungsmethoden und ihrer eignung für bestimmte hundetypen
– den unterschiedlichen arten von stressreaktionen (insbesondere einknicken vs. zumachen)

wer mit kommandoton und druck im training arbeitet,
erreicht bei einem sensiblen und menschenorientierten collie eher „gehorsam“
(und nimmt einiges an kollateralschaden in kauf)
als bei einem chow oder dackel, der „zu macht“ und dem menschen den stinkefinger zeigt.
das liegt aber weniger an der rasse und mehr am erziehungsstil.

fakt ist: 
manche hundetypen und rassen sind eigenständiger und haben eine höhere reizschwelle
(sind also weniger schnell gestresst) als andere.
kommt das gepaart mit hoher intelligenz daher, geht mit druck nicht mehr viel.

fiktion ist: 
dass ein hund völlig stur und daher unerziehbar wäre
oder es dem menschen gar öfter mal heimzahlen will,
ist einfach quatsch und sagt mehr über die erziehungsunfähigkeit des menschen aus als über den hund.

 

3. „familienhund“

welche rassen inzwischen als besonders gut geeignete „familienhunde“ angepriesen werden, lässt einen sprachlos zurück.
erst neulich las ich in einer solchen aufzählung auch dalmatiner, ridgeback und magyar viszla,
die angeblich besonders gut für kinder geeignet wären.

nun kann es absolut sein, dass ein dalmatiner die kinder der familie abgöttisch liebt
oder ein ridgeback ein gechillter spielgefährte für die kleinen ist.
fix damit rechnen sollte man nicht.

genausowenig kann man fix damit rechnen, dass ein golden retriever, maltester oder labradoodle jedenfalls kinderfreundlich ist.

„familienhund“ ist keine genetische kategorie.
was es dafür braucht ist erstens ein ruhiges wesen und ein gutes nervenkostüm beim hund
(je kleiner die kinder und je mehr kinder, desto mehr ist das beim hund gefordert).

zweitens braucht es einen hund, der von klein auf positive erfahrungen mit kindern gemacht hat
und im idealfall mit rücksichtsvollen kindern aufgewachsen ist.
das wiederum hat gar nichts mit der rasse zu tun.

übrigens: ein hund muss sich nicht alles gefallen lassen und muss nicht alles aushalten!
die familie, in der der hund lebt, sollte daher auch hundefreundlich und respektvoll im umgang mit dem hund sein.

fakt ist:
bestimmte hunderasse haben eher ein ruhiges naturell und stabile nerven als andere.
sie bringen damit bessere voraussetzungen als familienhund mit,
wenn sie dazu auch die nötige gewöhnung und die positiven erfahrungen erlebt haben.

fiktion ist: 
ein hund ist nicht durch seine rassezugehörigkeit automatisch ein guter „familienhund“,
da soll man sich von keiner rassebeschreibung was falsches versprechen lassen.
schon gar nicht, wenn einem sehr sensible (=stressanfällige) rassen angedient werden.

trainings know-how gefordert

unterm strich bleibt:
jeder hund jeder rasse lässt sich erziehen.

allerdings braucht man bei manchen hundetypen mehr positive anreize,
mehr gespür für den hund und mehr trainings know-how
als bei anderen, die quasi von selbst mitspielen.

wer also darüber klagt, dass sein hund wegen der rasse halt „schwer erziehbar“ wäre,
sagt eigentlich nur, dass ihm das nötige trainingswissen fehlt.
das lässt sich ja jederzeit ändern….

ps: zum thema hunderassen und ihre eigenschaften gäbe es noch so viel zu sagen, daher mehr dazu nächste woche hier im blog
(gleich abonnieren und den artikel nicht verpassen, wenn dich das thema interessiert):

über die autorin 

brigid

brigid weinzinger ist tiertrainerin und verhaltensberaterin für hund, katz, pferd und mensch. sie bloggt auf www.denktier.at über das leben mit tieren und tipps für deren ausbildung.