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by brigid

November 22, 2015

er ist halt manchmal stur, der hund! hast du das auch schon mal gehört oder dir sogar über deinen hund gedacht?
den sturen hund erkennst du ganz einfach: er macht nicht das, was du willst.

das macht der (noch) nicht erzogene hund natürlich auch nicht. was ist nun der unterschied zum sturen?

der sture hund macht nicht was du willst, obwohl er es eigentlich könnte. also schon gelernt und verstanden hat.  nur machen tut er’s nicht….

stur eben, dickköpfig, starrsinnig, aufsässig….. oder?

in wirklichkeit ist er vor allem eines: unverstanden!

„stur“ ist eine zuschreibung des menschen für den hund, wenn der nicht will, wie wir wollen, und wir uns (noch) nicht die mühe gemacht haben, genauer hinzuschauen.

(mal ganz abgesehen davon eine kleine frage: warum muss der hund eigentlich immer genauso wollen wie wir? würde es nicht bei den wichtigen dingen auch reichen? nur mal so dahin gefragt…. )

in den meisten fällen ist der angeblich „sture“ hund nämlich keiner, der nicht will, sondern einer, der nicht kann!  das wär schon wichtig zu erkennen. stell dir mal vor, jemand verlangt 50 liegestütz von dir und wenn dir nach 10 (oder wenn du so drauf bist, wie ich nach ca. 2 oder 3) die puste ausgeht, dann schimpft er dich „stur“, weil du nicht weitermachst. so willst du deinem hund gegenüber sicher nicht auftreten, auch nicht versehentlich!

was ist also wirklich los mit dem „sturen“ hund?

hier sind die drei häufigsten gründe für seine sturheit:

 

1. der überforderte hund

ganz oft wird als sturheit interpretiert, wenn der hund eigentlich zu müde ist, sich nicht mehr konzentrieren kann, überfordert ist oder ähnliches.

die klassische situation: du übst etwas mit dem hund, er „kann“ es eigentlich schon, und dann fängt er an, zu schlampen, sich zu entziehen oder völlig zu verweigern.

nur zu schnell denkt sich der mensch dann: stur!  er kann es doch! er hat es eben doch noch gemacht.

schon, aber vielleicht hat er es eben schon 10 mal gemacht! aufmerksamkeit und konzentration ermüden rasch – vor allem, wenn der tag, die woche oder das bisherige leben des hundes auch schon recht stressig waren.

oder vielleicht „kann“ der hund es noch gar nicht so gut, wie du denkst. er hat die aufgabe eben erst erlernt und bräuchte jetzt mal zeit, um das gelernte zu verarbeiten und setzen zu lassen. aber der vom raschen anfangserfolg begeisterte mensch will immer noch weiter üben und weiter…. bis der hund nicht mehr kann.

in kursgruppen trifft man den „sturen“ hund recht häufig: meisten entweder gleich bei den ersten übungen – wenn der hund noch voll begeistert ist, dass er alle seine kumpels wieder sieht und die anfangsaufregung sich noch nicht legen konnte. oder so ab der mitte der kurseinheit,  wenn es ihm eigentlich schon zu viel wird und er unkonzentriert wird und auf die vermehrten aufforderungen seines menschen mit ausweichen und meideverhalten und „ohren zu“ reagiert.

der beste tipp: aufhören! weniger verlangen, pause machen und später oder in ein paar tagen weitermachen.

2. der unmotivierte hund

es gibt grundsätzlich drei unterschiedliche kooperationstypen:

  • der hund, der rasse/typbedingt total menschenbezogen ist und nichts lieber tut, als mit ihm was zu machen.
  • der hund, der sich aus unsicherheit und ängstlichkeit nah bei seinem menschen hält und es ihm recht machen möchte.
  • der hunde, der an sich eigenständig und sicher ist und mit dem menschen arbeitet, weil er gelernt hat, dass es sich lohnt.

ersterer ist ein geschenk.
zweiterer eine aufgabe, ihn von sich weg (=sicherer und eigenständiger) zu bekommen.
dritterer eine aufgabe, ihn näher an sich und interessiert zu kriegen :-).

die dritte sorte wird gern als „stur“ bezeichnet.  völlig zu unrecht!

sie treffen nur eine genaue interessensabwägung. jeder hund macht das, immer (jeder mensch übrigens auch). jedes verhalten unterliegt einer kosten-nutzen-analyse:

was bringt es mir, das zu tun, und was kostet es mich?

wenn ein hund den menschen weder zu seiner sicherheit noch zu seiner unterhaltung braucht, dann muss an deren stelle eine solide lernerfahrung treten, damit nicht die kosten eines verhaltens den nutzen überwiegen und der hund es daher bleiben lässt.

ein beispiel:  der hund kommt auf rufen aus 5 meter entfernung verlässlich zurück. aus 30 meter entfernung bleibt er kurz stehen, schaut dich an und beschließt dann, lieber weiterzulaufen. (und wir nehmen jetzt mal an, dass ihr das zurückkommen auch afu 30m schon geübt habt, falls nicht, dann war das vielleicht der grund!)

was ist geschehen?

bei einem hund vom dritten typ vermutlich folgendes: ich hab das jetzt schon 5 mal gemacht, das ist ziemlich öde. die belohnung war davon 2x ein stück trockenfutter, wenig attraktiv. die 30 meter wieder zurückrennen, kostet energie. da vorne gibt es was interessantes zu erkunden, darauf müsste ich dann verzichten.   die kosten (energie fürs zurücklaufen, langeweile der übung in kauf nehmen, verzicht auf das erkunden da vorne) sind recht hoch für einen geringen nutzen (evtl. ein stück trockenfutter) …hmmm… ich lauf lieber da vor.

ich wette, du würdest dich nicht anders entscheiden!

das ist nicht stur, das ist nur vernünftig!

der beste tipp:  erhöhe den nutzen!  dazu kannst du einerseits die attraktivität der belohnung erhöhen, andererseits die chance auf was tolles mitschwingen lassen (hin und wieder rufst du nämlich, weil du was tolles entdeckt hast oder das lieblingsspiel deines hundes dran kommt) und drittens – achtung geheimtipp! – eure beziehung ins spiel bringen. wenn nämlich der hund als nutzen auch sieht, dass du fröhlich und begeistert bist, dann ändert sich die sache schlagartig. (wenn da nur ein angespannter oder genervter mensch auf ihn wartet, dem er lieber aus dem weg gehen würde, rate mal, wie sich das auf die kosten-nutzen-analyse auswirkt!).

wenn du was für eure beziehung tun willst, dann bietet dir übrigens der online-kurs „die bindung vertiefen“ gute anregungen. es ist nicht umsonst einer der beliebtesten kurs bisher!  hier findest du mehr info.

3. der hund unter druck

eine gruppe von hunden gibt es, die die sogenannte „sturheit“ eigentlich als eine art notwehr einsetzen. das sind jene, deren menschen absichtlich oder unabsichtlich den hund sehr unter druck setzen. also solche, die
– selber sehr angespannt und gestresst sind (und womöglich noch dazu einen sensiblen hund haben)
– hundeerziehung mit strenge und druck betreiben (oder glauben, das gehört so)
– viel unterordnung trainieren oder wert auf umgehenden gehorsam des hundes legen
– versuchen, ein schwieriges verhalten oder einen ungestümen hund über „gehorsam“ in schach zu halten, also den „deckel“ drauf zu halten
– mit viel reden und „einwirken“ auf den hund (via leine, via anordnungen, womöglich gar via rumschieben und drücken am hund) arbeiten

in all diesen fällen ist der mensch dem hund einfach zu massiv:  er schaltet die ohren auf durchzug, rennt weg (wenn er kann) und wird „stur“. in wirklichkeit ist ihm nur alles zu viel und er „entzieht“ sich dem druck in die vermeintliche sturheit, die er wie einen schutzwall um sich hochzieht.

der beste tipp: nimm den druck raus! das geht einem zwar oft gegen den eigenen impuls, aber es wirkt! wenn der hund nicht macht, was man will, dann weniger zu wollen (statt den hund noch nachdrücklicher aufzufordern), kostet zugegeben überwindung und impulskontrolle (vom menschen), aber es setzt am eigentlichen problem an und kann es daher lösen.  also druck raus, lass dem hund luft, geht mal ne runde spazieren und dann probiert es ohne druck nochmal.

(im übrigen würde der oben erwähnte kurs „die bindung vertiefen“ vielleicht auch in diesem fall helfen, auf einer neuen ebene der beziehung weiter zu arbeiten!).
zu welcher kategorie dein hund auch gehört: denk dran, wenn er auf „stur“ schaltet – er hat einen grund dafür und dein job ist es nciht, die sturheit zu brechen, sondern den grund dafür zu beheben und deinen hund zu verstehen :-).

über die autorin 

brigid

brigid weinzinger ist tiertrainerin und verhaltensberaterin für hund, katz, pferd und mensch. sie bloggt auf www.denktier.at über das leben mit tieren und tipps für deren ausbildung.