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by brigid

Februar 23, 2020

online hundeschule

was genau heißt eigentlich: der hund „stellt“ besucher?
schließlich ist bei weitem nicht jedes anbellen schon ein „stellen“.

definieren wir das also erst mal:
vom „stellen“ reden wir dann, wenn
– der hund ohne leine ist  (damit scheiden alle leinenpöbler schon mal aus)
– der hund auf eigene faust an den besucher bis auf 2-3m rangeht und droht oder bellt
– und zwar mit der absicht, den besucher auf abstand zu halten (also kein hinrennen und gleich zubeißen)

das typische bild, das wir dabei vor augen haben, ist der hofhund, der alle leute unbehelligt passieren lässt, solange sie sich dem grundstück oder der hofgrenze nicht zu sehr nähern.

die höfe mit darauf freilaufenden hunden werden allerdings immer seltener.
der viel häufigere fall ist heutzutage daher ein anderer:

der hund, der hinter der wohnungstür steht, bellt und den fremden menschen keinen schritt über die schwelle machen lässt.
manchmal schiebt er auch am zaun ums haus wache und bellt dort, wenn wer kommt.

wachmeister auf patrouille also?
der tapfere beschützer von haus und hof?

online hundeschule

ich muss euch enttäuschen.
der edle held ist keiner.

als erklärung fürs verbellen von fremden, hört man in der regel drei argumente:
– der hund ist territorial
– der hund will den menschen beschützen
– der hund ist unsicher

was hat es damit auf sich?

der hund als beschützer?

wenn der hund vorschießt und einen besucher stellt, dann sicher nicht, um seinen menschen zu beschützen.
jedenfalls nicht, wenn wir uns beschützen als altruistischen akt vorstellen,
bei dem der hund eine gefahr für unsereins erkennt und sich heldenhaft in die bresche wirft,
unter gefahr für sein eigen leib und leben.

der paketbote oder die neuen nachbarn sind ja beleibe keine gefahr,
sie verhalten sich auch nicht so, dass der hund das falsch verstehen könnte.
sie sind was anderes:

ihm fremd. und eine störung.
und eine vermeintliche gefahr für ihn selber!

es sind ja nicht die menschenfreundlichen, leutseligen hunde, die besucher stellen.
sondern eben jene, die zu fremden ein sehr distanziertes verhältnis haben oder sich vor ihnen fürchten.

sie verteidigen also sich selber.
vielleicht auch noch jene ressourcen, die ihnen wichtig sind
(und ja, dass kann auch der eigene mensch sein, wenn er den als seinen besitz ansieht).

von diesen „beschützerhunden“ gibt es ja noch einige andere sorten:
solche, die einen vor familienmitgliedern, vor anderen hunden, vor passanten unterwegs oder sogar vor bewegungen im dunklen „beschützen“.

zu dem thema gibt’s einiges mehr zu sagen, das steht dann auf dem programm des webinars “ „beschützerhunde“ und wie man mit ihnen umgeht“.

wenn der hund einen besucher stellt, will er damit nur einen schützen: sich selber.

die sache mit dem revier

aber will er nicht einfach sein revier verteidigen?

mit dem revier ist das so eine sache.

wenn wir darunter den liegeplatz des hundes verstehen, dann wäre das eine ressource, die er verteidigt.
so wie seinen kauknochen oder ein spielzeug oder was immer ihm wichtig ist.

wenn es bedeutet, dass sich kein fremder dem hund bis auf einen gewissen sicherheitsabstand nähern darf,
dann hat das mit revier oder territorium nichts zu tun, nur mit der individualdistanz des hundes.

allerdings gibt es ein phänomen, dass uns glauben macht, es wäre revier-schutz:
viele hunde stellen fremde nämlich nur zu hause oder im direkten wohngebiet,
nicht aber, wenn sie weiter weg vom haus oder in fremdem gelände sind.

das hat aber einen anderen grund:
der hund ist in wirklichkeit unsicher.
in einer vertrauten umgebung, wo er sich etwas sicherer fühlt, traut er sich mehr
und reagiert auf den gefährlichen fremden daher mit abwehrverhalten.
überall, wo er sich weniger sicher fühlt, traut er sich weniger
und reagiert daher mit meideverhalten oder flucht.

das „territorialverhalten“ existiert also eigentlich gar nicht.
(mehr dazu in diesem blog-artikel)

hausmeister hund

schließlich gibt’s noch die kategorie,
die gar nicht wirklich besucher „stellen“,
aber sie mit inbrunst verbellen  – am zaun wie an der tür.
(wobei’s ihnen am zaun noch viel mehr spaß macht).

die haben gelernt, dass man das so macht.

jeder störenfried, den sie am zaun erfolgreich „vertrieben“ haben,
ist eine bestätigung und verstärkt das verhalten.
jedes verbellen an der wohnungstür, das der mensch mit aufmerksamkeit quittiert
(der eigene oder der fremde mensch!),
lohnt sich für den hund und sorgt dafür, dass er das nächste mal noch begeisterter bellt.

den „hausmeister“ hat man sich also herangezogen,
meist, weil der hund sowieso ein wenig unsicher oder sehr aufgeregt über besucher war.
die aufmersamkeit hat dann ihren teil dazu getragen, das verhalten so richtig zu verankern.

was tun, wenn der hund besucher stellt?

fremde menschen stellen, geht natürlich gar nicht.
es kann sogar richtig gefährlich werden, wenn der hund echtes abwehrverhalten aus angst zeigt und der gestellt mensch dann blöd reagiert.

auch wenn nichts „passiert“ und es keine verletzung  gibt,
ist natürlich was passiert: der hund hatte das gefühl, zur selbstverteidigung schreiten zu müssen.
und weder soll er das gefühl haben,
noch sich eigenständig um seine sicherheit kümmern müssen
und schon gar nicht lernen, dass er das mit dem „stellen“ erfolgreich hinkriegt.

es ist der job von uns menschen, für die sicherheit des hundes zu sorgen.
und zwar sowohl in der akuten situation – da darf es erst gar nicht so weit kommen, dass der hund jemanden stellt –
als auch allgemein, indem wir ihm helfen, seine unsicherheit schrittweise zu überwinden.
und zum beispiel besucher gar nicht mehr so gefährlich zu finden, dass er sie stellen müsste.

über die autorin 

brigid

brigid weinzinger ist tiertrainerin und verhaltensberaterin für hund, katz, pferd und mensch. sie bloggt auf www.denktier.at über das leben mit tieren und tipps für deren ausbildung.