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by brigid

November 1, 2014

heute treib ich mal ein paar geister aus. 13 um genau zu sein.
(und nicht nur die, die du dir jetzt vielleicht erwartest)
passend zum (nach)halloween datum.

weil da immer noch unholdes gedankengut sein unwesen in der hundewelt treibt, das längst…

aber wirklich schon LÄNGST…. also allerlängstens ausgestorben sein sollte!!!

grad die letzten tage sind mir ein paar von diesen ungeistern wieder über den weg gelaufen. muss an halloween liegen!

(oder doch an ein paar zu vielen hunde(schul)leuten, die in der mitte des letzten jahrhunderts steckengeblieben sind? schon damals war der schmarrn übrigens falsch!)

also:

weg mit dem aberglauben!

weg mit dem spuk und dem unfug.

der geht zu lasten der hunde.
der schädigt die beziehung zwischen deinem tier und dir.
das ist alles holler. käse, schmarrn, schwachsinn…. you name it 🙂

diese 13 irrtümer entsorgen wir jetzt ein für alle mal.
(ok, ein für alle mal ist jetzt vielleicht wunschdenken.
aber hilf doch mit, die welt davon zu befreien und teile diesen artikel oder schick ihn an (ausgewählte) leute weiter!)

1.  „…sonst ist er dominant“

der unangefochtene spitzenreiter. immer noch.

leider!

die angst vor dem dominanten hund.

(angst, jawoll! nix sonst steckt dahinter. nur die angst des kleinen mannes vor dem bösen großen hund… oder so)

wenn der hund nur einen fuß vor dir geht oder früher isst als du oder – horribile dictu! – gar neben dir auf dem sofa oder im bett liegt, dann droht der umsturz! dann ist er dominant.

ist natürlich schwachsinn.

das wurde selbst bei wölfen nie so gehandhabt. heutzutage redet auch kein ernstzunehmender verhaltensforscher mehr von dominanz oder rangordnung, sondern nur noch von ressourcen-kontrolle.

also: wer hat die herrschaft über autoschlüssel, kühlschrank oder fernbedienung vom fernseher?
solang du das bist, musst du dir nicht allzuviele gedanken machen.

2. „200 wiederholungen“

bis der hund was wirklich gelernt hat, braucht es mindestens 200 wiederholungen. also 200 mal „sitz“, bis er es kapiert hat. und so weiter.

hast du das auch noch so gelernt?

für wie dumm halten wir unsere hunde eigentlich?

ich bin sicher, jede/r von euch hat einen hund, der manche sachen schon aufs erste mal gelernt hat.
(meistens die unerwünschten….)

und für die meisten anderen übungen reichen auch ein paar wiederholungen.

ein beweis: ich hab ein wissenschaftliches lernprojekt mit schwer gestressten tierheimhunden gemacht. die haben für ein reichlich komplexes verhalten (über eine auf den boden geklebte 1-m schaumstoff-stange steigen) im freien formen (!) im schnitt um die 25 wiederholungen gebraucht, bis sie es auf signal von 10 testdurchläufen 7mal richtig gemacht haben.

fazit: meistens lernen die hunde schneller als wir menschen…

3.  „welpenschutz“

welpen können sich bei jedem hund alles erlauben, weil sie „welpenschutz“ genießen. richtig oder falsch?

falsch!

richtig ist, dass sich welpen bei ihrer mutter und bei vielen anderen hunden deutlich mehr erlauben dürfen, als junghunde oder erwaschsene hunde. sie werden aber auch mal mehr oder minder heftig gemaßregelt, wenn sie’s übertreiben. und ja: manche welpen benehmen sich ganz schön daneben und ein souveräner hund tut gut daran, sie kurz in die schranken zu verweisen. kurz und fair wohlgemerkt.

das problem sind aber jene hunde, denen welpen von grund auf gespenstisch sind! die gleich von anfang an auf sie losfahren würden, weil sie das welpenerverhalten unhöflich oder bedrohlich finden. nix da mit welpenschutz

zu solchen hunden sollte natürlich kein welpe fröhlich hintapsen,  weil seine menschen auf den „welpenschutz“ vertrauen. das gäbe eine böse überraschung.

??????????

4. „das muss er aus liebe zu mir machen“

oje. weil du deinen hund so liebst, ihn vielleicht sogar von irgendwoher gerettet hast und ihn täglich wunderbar versorgst, heißt das natürlich noch lange nicht, dass er deswegen „folgt“.

die erwartung, dass der hund aus liebe heraus folgsam sein soll, kann nur schief gehen.

genauso wie bei den kindern.  (und den jugendlichen erst!)
oder den erwachsenen: dass du deine/n partner/in liebst, heisst ja auch noch lange nicht, dass du deswegen alles machst, was er/sie will!

merke: liebe ist das eine, erziehung das andere. und motivation sowieso was drittes.
(mehr zum thema in diesem blog-beitrag)

5.  „ganz ohne strafe geht es nicht“

wir sind so an strafe gewöhnt, dass wir uns gar nicht vorstellen können, dass es auch ohne gehen kann. unser ganzes schulsystem ist ein beispiel: warten auf die fehler, schlechte noten als sanktionen, sitzen bleiben….

und beim hund soll es anders sein? muss man dem nicht auch mal symbolisch eine vor den latz knallen, wenn er’s übertreibt?

nein. muss man nicht.

tausendmal klüger ist es, ihn für das richtige zu belohnen. denn das, was belohnt wird, macht der hund immer öfter.

und die strafe nimmt er entweder als „belohnung“ (= aufmerksamkeit) oder sie ist heftig genug für eine sogenannte verhaltensunterdrückung. da lernt der hund dabei aber nix, sondern ist nur mal kurzfristig kleinlaut und macht gar nix mehr. das sieht dann so aus, als hätt er’s kapiert, dabei ist nur ein paar minuten vorsichtig. und dann macht er wieder weiter, denn gelernt hat er ja nichts anders.

die einzige strafe, die wirkt: ignorieren! entziehen von aufmerksamkeit für das unerwünschte verhalten. sozusagen time-out.

das ist es aber auch schon: mehr strafe braucht der hund nicht.
(der mensch übrigens auch nicht, wenn man’s genau nimmt, aber das ist eine andere geschichte)

6. „das macht er mir zufleiß“

ah ja. da sitzt der hund und sinniert stundenlang, worüber du dich am meisten ärgern würdest. und dann macht er es dir zufleiß:

zerstört das neue sofa.
rennt einem reh nach, grad wenn wer vorbeikommt.
klaut dir den sonntagsbraten.
zerbeißt dein neues handy……

vergiß es.

„zufleiß“ macht der hund dir gar nix. er hat natürlich einen guten grund für sein verhalten. aber einen unmittelbaren, keinen um die-ecke-gedachten-wie-ärger-ich-meinen-menschen-am-besten grund.

das sofa muss vielleicht aus trennungsangst dran glauben.
der jagdtrieb kümmert sich nicht drum, ob wer vorbeikommt oder dir das peinlich ist.
wenn der sonntagsbraten unbewacht in reichweite ist, können hunde mit streunergenen (oder retriever oder beagle oder noch ein paar) ganz schwer dran vorbei.
und dein handy fällt in die selbe kategorie wie die schuhe oder sonstige dinge, die dein hund klaut, weil du das zum lustigen hasch-mich-spiel erhoben hast.

also: lieber den wahren grund rausfinden und daran dann arbeiten…

 

7. „manche hunde brauchen eine starke hand“

das hört man bevorzugt bei

a) bestimmten rassen – oft genau solchen, welche die landläufige „starke hand“ noch schlechter wegstecken als die eine oder andere rasse, der sie gar nicht angetragen wird.

b) hunden, die gerade durch die „starke hand“ so viel schlimmes erlebt haben, dass sie jetzt als schwierig oder aggressiv gelten.

in beiden fällen ist die „starke hand“ grundverkehrt. mit härte und strenge, mit druck und brutalität erreicht man nur eines:  einen kaputten hund. egal welcher rasse.

daher: jeder hund braucht klarheit. und zwar leise und sanft. punkt.

 

8.  „rüden vertragen sich nicht mit rüden“

es stimmt: manchmal pöbeln sich zwei unkastrierte jungrüden eher an als andere hunde. wie halt zwei halbstarke teenager eher mal in einen großspurigen, breitbeinigen, obercoolen wortwechsel geraten. viel mehr ist es fast nie.

wenn nicht die menschen diese panik hätten, dass die rüden sofort übereinander herfallen.

fakt ist:
gut sozialisierte rüden benehmen sich auch mit rüden normal.
schlecht sozialisierte rüden benehmen sich mit anderen hunden schlecht (egal welche hormone die haben).

genau dasselbe gilt für hunde generell:
gut sozialisierte benehmen sich gut mit anderen gut sozialisierten.
pöbel sind generell wengier beliebt, egal ob hündin oder rüde.

es gibt hündinnen, die eher mal mit anderen hündinnen rumzicken und buben bevorzugen.
es gibt zurückhaltende hunde, denen die draufgängerInnen zu viel sind.
….

aufs individuum kommt es an!

 

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9.“daran muss er sich gewöhnen“

hat dir schon mal jemand geraten, dass du mit deinem hund halt täglich ins einkaufszentrum gehen musst, wenn er sich dort total fürchtet, damit er sich daran gewöhnt?

und wenn er schiss hat vor anderen hunden oder unverträglich ist, dann am besten ab mit ihm in die belebteste hundezone, die du finden kannst!

kein scherz: diese aufforderung zur reizüberflutung gibt es immer noch! im günstigeren fall ist dein hund nur hoffnungslos überfordert und macht dicht. im weniger günstigen fall hast du danach einen ziemlich traumatisierten hund.

oder sagen wir mal so: wenn du angst vor spinnen hättest, würde es dir dann helfen, wenn ich dich in einen kleinen raum mit 200 überall herumwuselnden vogelspinnen stecke?

eben.

also: gewöhnen ja. aber bitte in kleinen, für den hund gut verarbeitbaren schritten. die für ihn immer ein kleines erfolgserlebnis bringen!

10. „er weiß ja, dass ich’s lieb meint“

da stülpt sich ein mensch frontal über seinen hund und knuddelt ihn heftigst durch.
sieht, wie der hund sich windet und massiv beschwichtigt.
versteht die beschwichtigungssignale auch.

und sagt dann:  „aber er weiss ja, dass ich ’s lieb  mein“ oder „mich kennt er ja“ oder so was.

mal ehrlich: macht es das für den hund auch nur einen millimeter besser? nein.

oder anders gefragt: wenn du mit einem menschen zusammenleben würdest, der dir jedesmal beim vorbeigehen einen leichten klaps auf den hinterkopf verpasst und das furchtbar lieb meint…. wie lieb wär dir das?
siehst du….

 

11. „der hund darf nie gewinnen“

beim spielen darfst du deinen hund nie gewinnen lassen. wurde mir noch erklärt.

das geht natürlich erstens mal nur bei den spielen, die ich jetzt eh nicht so empfehlen würde. also zum beispiel zerrspielen. wenn du sie (in maßen bitte) machst, darf gern auch mal dein hund gewinnen.

ich verspreche: das steigt ihm nicht zu kopf. es macht ihn auch nicht dominant!
es stresst ihn höchstens, wenn ihr zu wild und zu lange spielt oder du dabei zu grob wirst. egal wer gewinnt.

beim nachlaufen spielen weiss ich eh nicht, wie der mensch da überhaupt gewinnen soll. hunde sind einfach schneller.

und bei suchspielen geht’s erst gar nicht ums gewinnen. nicht nur deswegen sind sie meine lieblingsspiele. und die der hunde!

 

12. „manchmal muss man halt lauter werden“

es gibt einen einzigen fall, wo das stimmt: bei (körperlich) schwerhörigen hunden.

bei allen anderen, wo das gehör so einwandfrei funktioniert, dass sie noch das leiseste plastik-sackerl-rascheln in deiner tasche hören, bringt die lautstärke nichts. nullo. nada.

5 mal brüllen auch nicht.

der hund hört nicht, weil er

a) grade viel zu abgelenkt ist (und ihr aufmerksam sein bei diesem grad an ablenkung noch nicht trainiert habt)
b) schon gelernt hat, das du es eh 10x wiederholst und er dann sein leckerli auch dann noch kriegt.

also: erziehung bitte nicht durch lautstärke ersetzen. sondern umgekehrt!

13. „es ist ja nur ein hund“

hmmm…. „nur“ ein hund?

also etwas minderwertiges?
nicht die krone der schöpfung wie wir menschen?

ich persönlich halte nicht viel von dieser krönungsgeschichte.

ich sehe ein wesen vor mir, das genauso wie ich emotionen hat, bedürfnisse hat, in sicherheit leben will, zufrieden und glücklich und satt und bequem leben will, schmerzen hat und sich auf seine weise gedanken macht und sich klar und eindeutig ausdrücken kann…. und und und.  ach ja. und manche haben  2 beine mehr als ich und können nicht selber autofahren. auch schon was.

in meiner welt haben alle lebendigen wesen ein recht auf ein gutes leben. manche brauchen dazu mehr unterstützung von anderen, manche etwas weniger.

so gesehen ist auch der mensch nur ein hund :-).
das waren sie. die 13 stück aberglauben, die ich gern entsorgt wüsste.

wenn es dir auch so geht, dann verbreite bitte diesen artikel weiter oder sorg auf sonstige weise dafür, dass der irrglaube verschwindet. danke dir dafür!

 

über die autorin 

brigid

brigid weinzinger ist tiertrainerin und verhaltensberaterin für hund, katz, pferd und mensch. sie bloggt auf www.denktier.at über das leben mit tieren und tipps für deren ausbildung.