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by brigid

Juni 4, 2016

anfangs ist es ja vielleicht noch ganz niedlich, wenn der welpe so lieb anhänglich ist und dir überallhin hinterher dackelt (die dackel mögen mir das bildhafte wort verzeihen). aber früher oder später nervt es irgendwann doch.

wenn schon nicht dich, dann den hund!

oder sagen wir genauer: irgendwann ist es für sein nervenkostüm nicht gut.

denn der hund kommt dann ja nicht mehr zur ruhe! sogar, wenn du selber es eher gemächlich angehst und viel zeit ganz ruhig auf dem platz verbringst (bei menschen ist das meist vor irgendeinem bildschirm), so ein halb waches auge behält der hund immer, um nur ja nicht zu verpassen, wann du dich auch nur ein bisschen rührst.

dann steht er schon habtacht und ist gleich wieder hinter dir her.

aber wieso macht der hund das, wenn es doch nicht gut für ihn ist? wenn es ihn belastet?

(ich geh jetzt mal nicht auf die frage ein, warum menschen sehr viele dinge tun, die ganz und gar nicht gut für sie sind…).

das verhalten hat natürlich seinen grund. wie jedes hundeverhalten.  die gründe können aber ganz unterschiedlich sein!

hier sind mal die drei häufigsten (achtung: nicht alle denkbaren, nur die häufigsten)

 

1.  verlustängste

wenn du grad einen welpen ins haus geholt oder einen tierschutzhund aufgenommen hast, der eben seine familie und seine ganze vertraute umgebung verloren hat, dann musst du dir noch keine sorgen über etwas zu viel anhänglichkeit machen.

der hund schließt sich gleich einem menschen an (meist tatsächlich an nur einen) und nimmt sich den als sicherheitsanker. solange der da ist, ist alles gut.  wie bei kleinkindern in der fremdelphase.

fremdelphasen haben übrigens auch hunde: wenn dein welpe also an sich schon zum  junghund oder gar zum eigenständigen fast-erwachsenen herangewachsen ist, dann kann schon sein, dass er eine kurze (!) phase hat, wo er wieder sehr anhänglich wird. meist rund um die 16. – 18. lebenswoche bzw. dann nochmal rund ums 10. – 12. lebensmonat.

davon abgesehen sollte dein hund aber rasch zur ruhe kommen und normales erkundungs- und ruheverhalten zeigen. wenn nicht, dann hat er vermutlich tatsächlich trennungsangst oder verlustängste, vielleicht ein traumatisches erlebnis in der vergangenheit oder generell ein sehr unsicheres naturell. vielleicht spielen sogar körperliche oder organische probleme mit.

tipp: dein hund braucht dann viel sicherheit, zeit und ruhe und am besten holt ihr euch eine fachkundige verhaltensberatung, die positiv und sanft an das thema herangeht (du kannst gern auch mich kontaktieren, wenn du jemanden suchst).

und achtung: passe grade mit so einem hund auf, dass du nicht zusätzlich punkt 2 oder 3 aufbaust!

 

2.  anhänglich durch stress

zum normalen bindungsverhalten eines hundes gehört, dass er in zeiten der bedrängnis und wenn er sich überfordert fühlt, den kontakt zu seiner bezugsperson sucht. er wird anhänglich, wenn ihn etwas verunsichert oder ängstigt oder ihm zu viel wird (und wir hoffen natürlich sehr, dass nicht grade die bezugsperson selber es ist, die ihn ängstigt oder ihm zu viel wird, dann steckt er echt in der klemme!).

in phasen von vermehrtem stress kann sowas schnell mal auftreten. nochdazu verstärkt stress ja sowieso die emotionen. wenn ein hund also ein bisschen unsicher reagiert auf bestimmte dinge, wird er umso unsicherer, je höher der stresspegel steigt, bis hin zur panik.

wenn der hund sowieso ein bisschen mehr an dir dran ist, weil die welt so ein großer und anstrengender ort ist (ihr wisst ja, es könnte einem schließlich der himmel auf den kopf fallen!), dann klebt der hund in stresszeiten vermutlich extrem an dir.  wie das kind an mutters rockzipfel.

tipp: es bringt dann nichts, den hund dauernd von dir wegzuschicken, das macht ihm noch zusätzlichen stress. sorg lieber dafür, dass erstens die jeweiligen situationen ihn nicht überfordern oder ängstigen. vor allem aber sorg für stressabbau! für entspannung, selbstvertrauen und gelassenheit.

3.  belohntes verhalten

meistens klebt der hund schlicht und einfach deswegen an dir, weil du ihm das genau so beigebracht hast. je anhänglicher er wird, desto öfter wird er dafür bestätigt.

der bei weitem häufigste grund fürs mensch verfolgen ist die aufmerksamkeit, die man dafür bekommt!

du weißt ja: aufmerksamkeit ist eine form von belohnung und jedes verhalten, das belohnt wird, wird immer häufiger und anhaltender.

bis du am ende einen hund hast, der bei jedem schritt erwartungsvoll neben dir steht und dich nicht mehr alleine aufs klo oder in die badewanne lässt. und sperrst du ihn doch mal aus, gibt es gezetere und gekratze hinter der tür. bis es dir dann doch reicht, du rufst ein „aus!“ doer ein „ist ja schon gut“  und bingo! schon hat der hund wieder seine belohnung.

die dauerbereitschaft ist für den hund irre anstrengend. er lebt ja in der überzeugung, dass er dich keinen moment alleine lassen kann und du ihn dafür lobst, dass er dauernd an dir ran ist und aufpasst.

das dumme an der sache: anfangs fühlt man sich ja sowas von geschmeichelt, wenn der hund so gern zu einem herkommt und kontakt möchte. es ist auch so verflixt schwer, die erwartungsvollen hundeaugen zu ignorieren und eben nicht drauf einzusteigen, wenn der hund alle paar minuten antanzt.

aber es ist notwendig! unabdingbar!

zumindest, wenn du nicht möchtest, dass dein hund als nervenbündel endet (und du auch).

du willst deinen hund ja nicht auf dauernde habt-acht-und-sei-einsatzbereit haltung erziehen, sondern er soll verstehen, dass es aktivphasen gibt (spazierengehen, spielen,…) und sonst ganz viele ruhephasen, in denen er einfach pennen kann und sowieso nichts los ist… egal, ob du nun aufs klo gehst oder – bewahre- gar in die küche! auch entspannung muss ein hund mal lernen.

tipp: gib ihm die chance dazu und reagiere nicht auf jede seiner kleinsten regungen (egal ob begeistert oder genervt). nur so kriegt er nicht das falsche feedback.  lass ihn einfach mal in ruhe, auch wenn er erwartungsvoll ankommt. schweigen kann wirklich gold sein

über die autorin 

brigid

brigid weinzinger ist tiertrainerin und verhaltensberaterin für hund, katz, pferd und mensch. sie bloggt auf www.denktier.at über das leben mit tieren und tipps für deren ausbildung.